PKW3031 12/55 PS 320 und 14/60 PS 350 (W 03, W 04, W 05), 1926 - 1929

12/55 PS 320 und 14/60 PS 350 (W 03, W 04, W 05), 1926 - 1929

Im Mai 1924 beendeten die Firmen Benz & Cie. und Daimler-Motoren-Gesellschaft ihren mehr als 30 Jahre andauernden Wettstreit um die Gunst des Kunden und schlossen sich unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Die sich anschließende Phase der Zusammenführung war geprägt durch die Bemühungen, Konstruktion und Fabrikation zu vereinheitlichen und Verwaltung sowie Außenorganisation weitestgehend zusammenzulegen - Maßnahmen, die de facto einer Fusion gleichkamen, ohne jedoch den abschließenden formalen Schritt zu gehen. Einer der Kernpunkte bestand dabei in der Schaffung einer einheitlichen Produktpalette konkurrenzfähiger Modelle, deren Fertigung auf die vorhandenen Werke verteilt werden sollte.

Die DMG hatte 1924 bis zum 1. Mai, als der Interessengemeinschafts-Vertrag wirksam wurde, insgesamt 407 Pkw-Chassis fertiggestellt. Zwei Drittel davon entfielen auf die 1923 eingeführten Vierzylinder-Kompressorwagen, der restliche Anteil bestand aus Vorkriegstypen, deren Produktion nach einer mehr oder weniger langen Pause 1919 wieder angelaufen war. Zwei weitere Modelle, die sich unter der Leitung von Ferdinand Porsche in Entwicklung befanden, waren kurz davor, ihre Serienreife zu erreichen. Dabei handelte es sich um vollkommen neu konstruierte Sechszylinder-Kompressorwagen der automobilen Spitzenklasse mit 4,0 und 6,3 l Hubraum. Präsentation und Serienanlauf waren für den Herbst 1924 geplant.

Zur gleichen Zeit bestand das Pkw-Programm des ehemaligen Wettbewerbers Benz & Cie. aus drei grundsoliden, aber technisch wenig aufregenden Mittelklasse-Modellen: dem Vierzylinder-Typ 10/30 PS und den beiden Sechszylinder-Typen 11/40 PS und 16/50 PS.

In den wirtschaftlich nicht so rosigen Zeiten war es wichtig, mit attraktiven und preiswerten Produkten Marktanteile vor allem in der Mittelklasse erobern zu können. Die beiden neuen Mercedes-Sechszylinder waren eindeutig der Oberklasse zuzuordnen und kamen für diese Aufgabe nicht in Frage. Den vorhandenen Benz-Modellen fehlten nicht nur Vorderradbremsen, die sich 1924 auf breiter Front durchzusetzen begannen, sie entsprachen auch nicht dem neuen Trend, die vom Markt geforderte Motorleistung in einer möglichst niedrigen Hubraumklasse anzubieten. Für das gemeinsame Konstruktionsbüro der Interessengemeinschaft ergab sich daraus die Aufgabe, ein neues Modell zu entwickeln, mit dem das wichtige und von den Absatzchancen interessante Segment der oberen Mittelklasse besetzt werden konnte. Dieses Projekt entwickelte sich sehr bald zu einer ernsten Belastungsprobe für die Interessengemeinschaft, da die Vorstellungen beider Partner in diesem Punkt stark divergierten.

Bei der DMG befand sich 1924 neben den beiden Oberklasse-Typen noch ein drittes Modell in Entwicklung, das nach ähnlichen Prinzipien konstruiert, aber noch nicht so weit gediehen war wie die großvolumigen Sechszylinder. Ebenfalls mit Kompressor-Sechszylinder konzipiert, sollte es aus 2 l Hubraum etwa 40 PS, mit zugeschaltetem Lader sogar 60 PS mobilisieren. Bei den Vorstandssitzungen der Interessengemeinschaft sorgte der 2-l-Wagen für angeregte Diskussionen. Die DMG hatten ihr kleines Kompressormodell für die Produktion in Mannheim vorgesehen, bei Benz gab man jedoch zu bedenken, die Untertürkheimer Konstruktion sei nicht auf die vorhandenen Fertigungseinrichtungen abgestimmt und bringe erhebliche Komplikationen und Verteuerungen in der Fabrikation mit sich. Benz strebte großen Absatz durch niedrige Preise an, die DMG plante dagegen ein technisch anspruchsvolles Modell zu einem entsprechend hohen Preis. Abgesehen davon, hatte man in Mannheim bereits ein 2-l-Modell mit Schwingachsen, aber konventionellem Motor konzipiert und im Entwurf fertiggestellt.

Im Januar 1925 beschloß Benz & Cie., nicht den von der DMG konstruierten 2-l-Wagen, sondern ein 2,6-l-Modell zu bauen, und zwar mit seitlich gesteuerten Ventilen. Die Entwicklung des Zweiliters mit obengesteuerten Ventilen sollte von der DMG dennoch abgeschlossen werden, um die Produktion zu einem späteren Zeitpunkt aufnehmen zu können. Das 2-l-Projekt wurde tatsächlich im Juli/August 1925 wieder aufgegriffen, jedoch unter anderen Vorzeichen als ursprünglich gedacht: In den Folgemonaten kristallisierte es sich heraus, dass das von Benz schon immer favorisierte Konzept eines preiswerten Wagens die richtige Alternative darstellte, und die Konstruktionsarbeiten wurden mit Hochdruck in Angriff genommen.

Im Januar 1925, als die Entscheidung fiel, in Mannheim einen 2,6-l-Wagen zu bauen, hatte man den Beginn der Serienproduktion für Januar 1926 geplant. Nach Möglichkeit sollte die Entwicklung beschleunigt werden, um das neue Modell auf der für den Herbst 1925 vorgesehenen Automobilausstellung in Berlin präsentieren zu können. Beide Termine konnten nicht realisiert werden. Im September 1925 war noch nicht entschieden, ob der Wagen 4- oder 6-sitzig gebaut werden sollte; es wurde jedoch beschlossen, das neue Modell leichter und billiger zu machen, wobei für den offenen Tourenwagen ein Verkaufspreis unter RM 13.000,- anzustreben war. Friedrich Nallinger befürchtete, dass der 2,6-l-Wagen neben einem 2-l-Sechszylinder keinen Sinn machen würde, und regte die Konstruktion eines stärkeren Motors für das 2,6-l-Chassis an. Nach verschiedenen Verzögerungen ging der Hoffnungsträger der Mannheimer erst zum Jahreswechsel in die Erprobung. Im Januar 1926 wurde einmütig beschlossen, anstelle des 2,6-l-Aggregats, das in den vorhandenen Quellen z.T. auch als 2,5-Liter bezeichnet wird, in das gleiche Chassis einen 3-l-Motor einzubauen. Dieser Beschluß markierte den eigentlichen Startschuß für den Typ 12/55 PS. Bereits einen Monat später konnte der neue Motor getestet und eingebaut werden.

Im Oktober 1926 feierte der Mercedes-Benz 12/55 PS Dreiliterwagen schließlich seine Premiere auf der Deutschen Automobil Ausstellung in Berlin. Im Prospekt wurde der intern W 03 genannte "neue, mittelstarke Mercedes-Benz 6-Zylinder" als "der moderne Gebrauchswagen in höchster Vollendung" vorgestellt. "Größte Weichheit des Fahrens, höchstes Beschleunigungsvermögen sowie eine starke Kraftreserve" waren ebenso als besondere Vorzüge genannt wie "rasche und sichere Bremswirkung, hervorragende Federung und sicheres Liegen auf der Straße". Dennoch stand dieses Modell zunächst unter keinem glücklichen Stern. Es war trotz aller guten Vorsätze schlicht und einfach zu schwer geraten - lag doch das Fahrgestellgewicht um mehr als 40 % über dem des gleichzeitig präsentierten 2-l-Modells. Dies führte zu hektischen Aktivitäten im konstruktiven Bereich.

Die in Berlin ausgestellten Wagen, eine Pullman-Limousine, ein offener Tourenwagen und ein Fahrgestell, waren mit einem seitengesteuerten Reihensechszylinder ausgerüstet, der einen geteilten Motorblock aufwies und die Konstruktionsnummer M 03 erhalten hatte. Das Kurbelgehäuse war aus Leichtmetall gegossen, während Zylinderblock und Zylinderkopf aus Grauguß bestanden. Das Bohrungs-Hubverhältnis betrug zunächst 74 x 115 mm, entsprechend einem Hubraum von 2968 cm³. Der M 03 war, als letzter Pkw-Serienmotor von Daimler-Benz, ausschließlich mit Magnetzündung ausgerüstet. Noch im November 1926, wenige Tage, nachdem die Berliner Ausstellung ihre Pforten geschlossen hatte, beschloß der Vorstand, den Hubraum durch Aufbohren um 2 mm auf 3131 cm³ zu erhöhen und die Grenze von 12 Steuer-PS vollständig auszunutzen. Diese Maßnahme sollte auch an den bereits fertiggestellten Motoren durchgeführt werden, um die Auslieferung unterschiedlicher Varianten an den Kunden zu unterbinden. Die Hubraumerhöhung diente primär einer verbesserten Elastizität des Motors; die Leistung wurde dadurch nicht verändert. Unverändert blieb allerdings auch der etwas rauhe Motorlauf.

Bereits im Januar 1927 wurde daher vom Vorstand entschieden, den Motor des 12/55 PS erneut zu modifizieren. Das neue Aggregat, das ab Oktober 1927 zum Einsatz kam, hatte zwar das Bohrungs-Hubmaß von 76 x 115 mm behalten, war jedoch in seinem gesamten Konzept grundlegend verändert worden. Der Motorblock war nun einteilig aus Grauguß ausgeführt, lediglich das Kurbelgehäuse-Unterteil bestand weiterhin aus Leichtmetall. Um einen vibrationsarmen Lauf zu gewährleisten, hatte man auch die Kurbelwelle neu konstruiert und mit sieben statt vorher vier Hauptlagern versehen. Die etwas antiquierte Hochspannungs-Magnetzündung wurde durch Batteriezündung ersetzt. In Anbetracht der grundlegenden Modifikationen erhielt der Motor die neue Konstruktionsnummer M 04 und der Wagen dementsprechend die Bezeichnung W 04. Ab Februar 1928 hieß der Dreiliterwagen, der in Wirklichkeit 3,13 l Hubraum hatte, 12/55 PS Typ 320.

Im Herbst desselben Jahres ersetzte der Motor M 09 den M 04. Die Zylinderabmessungen betrugen nun 80 x 115 mm, der Hubraum war auf 3,5 l erhöht worden. Die mit diesem Motor ausgerüstete Variante hieß intern W 05 und trug die offizielle Typenbezeichnung 14/60 PS Typ 350. Auch dieser Version war jedoch kein langes Leben beschieden. Sämtliche Modelle der Typenfamilie wurden als offener Tourenwagen und Limousine, jeweils 4/5-sitzig oder 6-sitzig, sowie als 2/3-sitziges oder 4/5-sitziges Cabriolet angeboten. Für Fremdaufbauten der zur damaligen Zeit zahlreichen Karosseriebauer stand auch das reine Fahrgestell zur Verfügung.

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