PKW3121 500 K /  540 K (W 29), 1934 - 1939

500 K / 540 K (W 29), 1934 - 1939

Die leistungsorientierte anspruchsvolle Klientel, die in hohem Maße durch die großvolumigen und leistungsstarken Modelle der Mercedes-Benz "S"-Reihe geprägt worden war, empfand den Typ 380 vielfach als zu schwach motorisiert. Die Antwort von Daimler-Benz war umfassend und ließ nicht lange auf sich warten: Bereits im März 1934 wurde auf der Internationalen Automobil- und Motorradausstellung in Berlin, wo nur ein Jahr zuvor der Typ 380 debütiert hatte, ein neues Modell präsentiert, das im Laufe des Jahres die Nachfolge antreten sollte.

Der neue "Typ 500 mit Kompressor" stand in Berlin nur in einem Exemplar als sogenannter "Autobahn-Kurierwagen", der, wie es in der Preisliste der gezeigten Fahrzeuge hieß, "in Einzelspezialausführung für besonders hohe Geschwindigkeit gebaut" war und laut Rundschreiben der Verkaufsabteilung "häufig als Clou der Ausstellung" bezeichnet wurde. Dagegen war vom Typ 380 mit vier verschiedenen Karosserievarianten fast die ganze Palette ausgestellt. Die bevorstehende Ablösung stand also am Horizont, war aber noch nicht ausgesprochen.

Im Juni 1934 wurde der Typ 500 mit Kompressor mit sieben Varianten in die Preisliste aufgenommen. Außer dem Fahrgestell waren eine 4-türige Limousine, damals noch "Innenlenker" genannt, ein 2-sitziger Roadster mit zwei Notsitzen, die Cabriolets A, B und C sowie ein 2-türiger offener Tourenwagen lieferbar. Der Preis für sämtliche Varianten betrug RM 22.000,-; das Fahrgestell schlug mit RM 15.500,- zu Buche.

In der gleichen Preisliste wurde der Typ 380 bereits in der Rubrik "Übergangs-Modelle" mit dem Hinweis "nur noch vereinzelt lieferbar" geführt. Der letzte 380er wurde im Juli 1934 produziert, zwei Monate nachdem die Serienproduktion des 5-l-Typs begonnen hatte.

In offiziellen Verlautbarungen und Druckschriften wurde der 5-l-Kompressorwagen, der die interne Konstruktionsnummer W 29 erhalten hatte, überwiegend "Typ 500 mit Kompressor" genannt. Die heute allgemein geläufige Bezeichnung 500 K wurde eher zurückhaltend verwendet. Dies änderte sich mit der Einführung des hubraumstärkeren, aber ansonsten weitgehend unveränderten Nachfolgermodells. Bei seinem Erscheinen im Oktober 1936 wurde dieses zwar noch als "Typ 540 mit Kompressor" bezeichnet, aber bereits im November begann sich die griffigere Typenbezeichnung 540 K allgemein duchzusetzen.

Die Überarbeitung des 3,8-l-Motors M 22 zum 5-l-Triebwerk M 24 des 500 K war umfangreich gewesen. Bohrung und Hub wurden jeweils um 8 mm vergrößert, eine Maßnahme, die eine neue Kurbelwelle erforderte. Die Leistung stieg dadurch auf 100/160 PS.

Ende April 1936 erhielt der Motor eine weitere Hubraumerhöhung auf 5,4 l. Hierzu wurde die Bohrung um 2 mm erweitert und der Hub um 3 mm verlängert. Die Leistung erhöhte sich auf 115/180 PS. Die Typenbezeichnung wurde erst im September 1936 dem vergrößerten Hubraum angepaßt. Seine offizielle Premiere hatte der Typ 540 K Anfang Oktober auf dem Pariser Automobil-Salon.

Als Getriebe kam beim 500 K ein Mercedes-Benz Schnellgang-Getriebe mit halbautomatischer Schaltung zum Einsatz. Beim Schalten vom dritten (direkten) Gang in den Schnellgang brauchte die Kupplung nicht betätigt zu werden. Beim Übergang zum 540 K wurde dieses Getriebe zunächst beibehalten und nur dahingehend modifiziert, dass der seitherige Schnellgang durch Änderung der Übersetzungsverhältnisse zum vierten (direkten) Gang wurde. Im Februar 1939 erhielten der 540 K und der "Große Mercedes" ein Fünfganggetriebe, das die Drehzahl im fünften Gang gegenüber dem vierten um 20 % reduzierte.

Das Chassis des 500 K und 540 K hatte einen Radstand von 3290 mm und wurde, wie schon vom Typ 380 bekannt, in zwei Versionen geliefert. Außer der regulären Ausführung gab es eine Variante, bei der Kühler, Motor-Getriebe-Einheit, Lenkgetriebe und Sitze gut 10 cm nach hinten versetzt waren. Als zusätzliche, nicht in der Preisliste enthaltene Sonderausführung waren auch Fahrgestelle mit dem kürzeren Radstand von 2980 mm verfügbar, die als Roadster oder Cabriolet A karossiert werden konnten.

Auch wenn die Kataloge und Preislisten aus jener Zeit den Eindruck der Serienproduktion erwecken, so entstanden diese Fahrzeuge in einer manufakturartigen Fertigung weitgehend individuell und streng an den einzelnen Wünschen und Vorgaben des Kunden orientiert. Der Sindelfinger Sonderwagenbau unter Kurt Ahrens erreichte mit den Karosserien für die Achtzylinder-Sportwagen ein allgemein anerkanntes und kaum zu überbietendes Niveau in Schönheit und Qualität der Ausführung.

Das ursprüngliche Karosserie-Angebot für den 500 K wurde bereits im Herbst 1934 um einen ausgesprochen eleganten Spezial-Roadster ergänzt, der auf dem Pariser Salon im Oktober debütierte und gegenüber den anderen Varianten einen Mehrpreis von RM 4.000,- erforderte. Im Februar 1935 wurde die 4-türige Limousine durch eine 2-türige Variante ersetzt. Im Oktober 1935 erschien in Paris eine neue, hinreißend schöne Ausführung des Spezial-Roadsters, die mit einem Preis von nunmehr RM 28.000,- die teuerste Variante des W 29 darstellte. Roadster, Spezial-Roadster, Cabriolet A und Autobahn-Kurier wurden auf dem Fahrgestell mit zurückgesetztem Motor aufgebaut, alle anderen Karosserievarianten auf dem regulären Chassis.

Nach dem Übergang zum 540 K entfielen im Februar 1937 der Roadster und der Autobahn-Kurier aus der Preisliste. Ein Jahr später, im Februar 1938, ereilte dieses Schicksal auch das Cabriolet C. Zum gleichen Zeitpunkt wurde anläßlich der Berliner IAMA eine modifizierte Variante des Spezial-Roadsters präsentiert, die auf dem regulären Fahrgestell basierte und eine abweichende Gestaltung vor allem der Vorderkotflügel und der Heckpartie aufwies. Ab Februar 1938 wurden auch die übrigen 2/3-sitzigen Karosserievarianten nicht mehr auf dem Fahrgestell mit zurückgesetztem Motor aufgebaut. In der Preisliste vom Februar 1939 war auch der offene Tourenwagen nicht mehr enthalten. Interessanterweise wurde diese Ausführung im Katalog weiterhin aufgeführt, ebenso wie zwei Karosserievarianten, die in keiner Preisliste erwähnt sind: ein 2-sitziges Sport-Coupé und die analoge Ausführung als sogenanntes Kombinations-Coupé, nach heutiger Diktion ein Roadster mit Hardtop.

Unabhängig von den in der Preisliste oder im Katalog genannten Varianten wurden in Sindelfingen zahlreiche vom üblichen Standard abweichende Karosserien realisiert, z.T. aufgrund konkreter Kundenwünsche, teilweise aber auch in Eigeninitiative. Ein besonders bekanntes Beispiel für ein derartiges Fahrzeug ist das von Rudolf Caracciola gefahrene 500 K Coupé von 1935, das seinerzeit als Spezial-Roadster, Spezial-Coupé oder Sport-Limousine bezeichnet wurde. Es entspricht einer geschlossenen Version des Spezial-Roadsters in seiner ersten Ausführung von 1934.

Von den beiden Modellen des W 29 wurden im Werk Untertürkheim zwischen Februar 1934 und November 1939 insgesamt 761 Fahrgestelle produziert, davon 342 mit 5 l und 419 mit 5,4 l Hubraum. 70 Fahrgestelle wurden zur Karossierung an Aufbauhersteller geliefert, die übrigen 691 Exemplare erhielten ihre Karosserie im Sonderwagenbau des Werks Sindelfingen. Am beliebtesten war das Cabriolet B mit 296 Einheiten, gefolgt von Cabriolet C mit 122 und Cabriolet A mit 116 Fahrzeugen. Selbst der exklusive und gediegene Spezial-Roadster brachte es auf eine Gesamtstückzahl von etwa 50 Einheiten, während die verschiedenen Coupé-Varianten nur 12 , der Autobahn-Kurier sogar nur 6 Stück erreichte. 53 Limousinen und 28 offene Tourenwagen komplettieren die Bilanz.

Im Jahr 1939 wurden auf Basis des M 24, Versuchsmotoren mit 5,7 l Hubraum gebaut. Diese Motoren hatten eine nochmals um 7 mm vergrößerte Bohrung, aber 5 mm geringeren Hub als das 5,4-l-Aggregat. Große Bedeutung können diese Motoren nicht gehabt haben, da bei Daimler-Benz intensiv an den neuen V12-Triebwerken M 148 und M 157 gearbeitet wurde und sich diese bereits in einem weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befanden. Die immer wieder kolportierte Behauptung, die Ablösung des 540 K durch eine 5,7-l-Variante sei für das Frühjahr 1940 geplant gewesen und nur durch den Kriegsausbruch verhindert worden, entbehrt daher nicht nur einer überzeugenden Erklärung, sondern außerdem jeglichen Beweises. Dennoch geistert der ominöse 580 K, wie der Phantom-Typ trotz seinem Hubraum von knapp 5,7 l genannt wird, weiterhin in regelmäßigen Abständen durch die Literatur.

Eindeutig existiert haben dagegen 20 zweitürige Limousinen in gepanzerter Sonderausführung. Diese entstanden im Rahmen der sogenannten "Aktion P", die die Reichskanzlei im Sommer 1942 nach dem Attentat auf Heydrich initiiert hatte. Für den Auftrag, 20 gepanzerte Limousinen des Typs 540 K zu liefern, verwendete Daimler-Benz ein fabrikneues Chassis, das noch in den Beständen des Werks vorhanden war, sowie 19 bereits ausgelieferte Fahrzeuge, die von der Wehrmacht requiriert worden waren. Die Fahrgestelle dieser 19 Wagen wurden in Untertürkheim fabrikneu instandgesetzt und anschließend in Sindelfingen mit den Panzerkarosserien versehen. Die Auslieferung erfolgte zwischen November 1942 und Februar 1943. Im November 1943 wurden noch einmal 17 Ersatzkarosserien der gleichen Bauart bestellt. Es gibt aber keinen Beweis dafür, das diese Karosserien tatsächlich geliefert wurden oder auch nur in Produktion gingen. Zumindest ein Exemplar der 2-türigen Sonderschutz-Limousine hat die Wirren der letzten Kriegsjahre und der frühen Nachkriegszeit überdauert und ist seit Jahren im Technischen Museum in Prag ausgestellt.

Eine weiteres Sondermodell, das oft mit dem 540 K in Verbindung gebracht wird und tatsächlich gewisse Gemeinsamkeiten aufweist, trägt die interne Konstruktionsnummer W 24 und wird werksintern gelegentlich als Typ 540 K lang bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Versuchsfahrzeug vom August 1934, das mit dem Achtzylindermotor M 24 und einer De-Dion-Hinterachse ausgerüstet war, möglicherweise als Vorstufe zu dem geplanten Nachfolger des Typs "Großer Mercedes" (W 07). Vier offene Tourenwagen mit einem Radstand von 3880 mm wurden zwischen April 1936 und Januar 1937 an die Reichskanzlei und andere Regierungsstellen geliefert und kamen dort auch zum Einsatz. Außer diesen vier Fahrzeugen und dem ersten Versuchswagen existierten noch zwei weitere Exemplare dieses Typs, von denen eines möglicherweise nie karossiert wurde. Die vier 1936/37 ausgelieferten Fahrzeuge hatten ihre Karosserie z.T. im Werk Sindelfingen und z.T. im Werk Mannheim erhalten. Ob weitere Fahrzeuge ausgeliefert oder auch nur produziert wurden, ist leider nicht zweifelsfrei dokumentiert.

Mit den Typen 500 K und 540 K hatte man in Stuttgart und Sindelfingen Automobillegenden geschaffen, die noch nach Jahrzehnten in der Lage sind, durch ihre bloße Existenz Begeisterung für Mercedes-Benz zu wecken und die Technik- und Designkompetenz der traditionsreichen Marke mit dem Stern überzeugend zu vermitteln. So ist es kein Zufall, dass beide Typen heute zu den gesuchtesten Klassikern gehören, und nicht von ungefähr wählen zahlreiche Besucher des Mercedes-Benz Museums den dort ausgestellten rot lackierten 500 K Spezial-Roadster zu ihrem bevorzugten Exponat.

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