Daimler 12 PS Phönix-Rennwagen, 1899

Daimler 12 PS Phönix-Rennwagen, 1899

Seit Ende des 19. Jahrhunderts unterhielt die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) Geschäftsbeziehungen zu Emil Jellinek. Der vermögende Geschäftsmann und Bonvivant mit Wohnsitzen in Baden bei Wien und im mondänen Nizza hatte im Oktober 1897 nach einem Besuch im Daimler-Werk in Cannstatt sein erstes Daimler Automobil erhalten, einen 6 PS Doppelphaeton mit dem bei Daimler damals üblichen Riemenantrieb. Als begeisterter und technisch interessierter Automobilist avancierte Jellinek zu einem einflussreichen Befürworter der Daimler Fahrzeuge und begann diese mit großem Erfolg in seinem gesellschaftlichen Umfeld zu vertreiben. Beseelt und selbstbewusst wie er war, zögerte er nicht, bei DMG Konstruktionschef Wilhelm Maybach klar definierte Forderungen hinsichtlich der technischen Beschaffenheit und Leistungsfähigkeit der Daimler Wagen zu stellen. Insbesondere die Höchstgeschwindigkeit seines Daimler Automobils erschien ihm steigerungsbedürftig.

Nicht einmal ein Jahr später, im September 1898, lieferte die Daimler-Motoren-Gesellschaft zwei von Jellinek bestellte Exemplare ihres neuen 6 PS Phaeton aus. Das neue Modell hatte zwar auch eine Nominalleistung von 6 PS/4,4 kW, war aber – erstmals bei der DMG – mit einem Vierzylindermotor ausgerüstet. Dieser basierte auf dem Zweizylinder-Phoenix-Motor, der sich bereits in den Riemenwagen bestens bewährt hatte und stellte aus 2,1 Liter Hubraum eine auf dem Prüfstand gemessene Leistung von gut 8 PS/5,9 kW bei 720/min bereit. Mit den beiden Fahrzeugen, die nach ihrem Motor auch Phoenix-Wagen genannt wurden, ging die DMG zugleich auf das von Panhard & Levassor eingeführte Konzept mit Frontmotor und angetriebenen Hinterrädern über.

Zur Vermarktung der neuen Daimler-Modelle setzte Jellinek von Beginn an auf Erfolge im Motorsport, der nicht nur in Frankreich an Popularität gewann. Bereits im Januar 1897 hatte als dritte Etappe des Rennens Marseille – Nice-La Turbie zum ersten Mal das Rennen Nizza-La Turbie stattgefunden, das als erstes Bergrennen der Welt gilt. Im März 1899 wurde es erstmals im Rahmen der „Semaine de Nice“, einer aus mehreren separat gewerteten Wettbewerben bestehenden Motorsportwoche, veranstaltet. Die DMG hatte inzwischen vier weitere nochmals leistungsgesteigerte Phoenix-Wagen mit Vierzylindermotor an die Cote d’Azur geliefert – drei mit einer Nominalleistung von 10 PS und einen mit 12 PS. Gemeldet waren die Fahrzeuge als 8 PS bzw. 14 PS, wobei zwei der 8-PS-Modelle von Arthur de Rothschild und seinem Neffen Henri de Rothschild registriert waren. Jellinek meldete seinen von DMG-Fahrer Wilhelm Bauer gefahrenen 14 PS unter seinem Pseudonym „Monsieur Mercédés“, das vom Vornamen seiner damals 10-jährigen Tochter inspiriert war.

Die 8-PS-Wagen waren mit Motoren ausgerüstet, deren Hubraum gegenüber den ersten Vierzylinder-Phoenix-Wagen auf 3,6 Liter vergrößert worden war; der von Jellinek gemeldete 14 PS verfügte mit erweiterter Zylinderbohrung über ein Hubvolumen von 4,4 Litern. Laut den archivierten Originalquellen leisteten die 8-PS-Modelle auf dem Prüfstand exakt 12,0 PS/8,8 kW bzw. 12,4 PS/9,1 kW, während der 4,4-Liter-Motor des 14 PS mit 14,7 PS/10,8 kW gemessen wurde.

Die vier Graugusszylinder waren paarweise zusammengegossen, und der ebenfalls aus Grauguss gefertigte Zylinderkopf des Vierzylinders war abnehmbar. Der Motor war wechselgesteuert ausgelegt, d. h. mit seitlich hängendem Einlass- und seitlich stehendem Auslassventil versehen. Die Einlassventile waren ungesteuert, die Auslassventile wurden über eine seitlich liegende Nockenwelle geöffnet und geschlossen. Der gestiegenen Leistung angepasst zeigten sich Schmierung und Kühlung der von Wilhelm Maybach konstruierten Triebwerke. Statt der vorherigen Tropföler kam nun eine Kombination aus Druck- und Tauchschmierung zum Einsatz, die eine höhere Schmierstabilität und bessere Temperaturresistenz bot. Letzteres bewirkte auch der ebenfalls von Maybach entwickelte Röhrchenkühler, der die Umlaufkühlung mittels einer Wasserpumpe wesentlich effizienzter machte und das erzielte Leistungsniveau überhaupt erst ermöglichte. Bei diesem innovativen Kühlsystem waren mehr als 2000 Metallröhrchen an beiden Enden mit je einer gelochten runden Blechplatte verlötet. Zwischen den Röhrchen zirkulierte das Kühlwasser, das vom durch die Röhrchen strömenden Fahrtwind abgekühlt wurde. Die großen unterhalb der Motorhaube angeordneten Kühler dominierten die Frontansicht der Hochleistungswagen.

Bei der Tourenfahrt Nizza – Magagnosc – Nizza am 21. März war der DMG Werksfahrer Wilhelm Bauer auf Jellineks Fahrzeug in der Zweisitzer-Kategorie vor dem Phönix-Wagen von Arthur de Rothschild erfolgreich. Bei den Viersitzern konnte der Rothschild-Wagen ebenfalls einen Sieg erringen. Darüber hinaus verbuchte Arthur de Rothschild in der Viersitzer-Kategorie einen zweiten Rang beim Bergrennen Nizza – La Turbie. Beim Meilenrennen in Nizza gingen die Phönix-Rennwagen dagegen leer aus: Rothschild schied bereits im ersten Lauf aus, Bauer im zweiten. Insgesamt kein schlechter Start, aber für den stets ehrgeizigen Jellinek Grund genug, bei der DMG zur nächsten Austragung der Rennwoche von Nizza noch leistungsstärkere Wagen einzufordern, die einen restlos überzeugenden Auftritt vor großem Publikum sicherstellen konnten.

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