Mercedes 2-Liter-8-Zylinder-Rennwagen "Monza", 1924

Mercedes 2-Liter-8-Zylinder-Rennwagen "Monza", 1924

Ferdinand Porsche, der im Frühjahr 1923 von Austro Daimler als Technischer Direktor und Vorstandsmitglied zur Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) gewechselt war, drückte nicht nur der Serienwagen-, sondern auch der Rennwagenkonstruktion in Untertürkheim von Beginn an seinen Stempel auf. Unmittelbar nach der tiefgreifenden Überarbeitung des 2-Liter-Vierzylinder-Rennwagens, mit dem Christian Werner in der Folge das Ende April 1924 ausgetragene Rennen auf Sizilien gewonnen hatte, wandte sich Porsche einem anspruchsvollen neuen Projekt zu.

Um innerhalb des seit 1922 gültigen neuen Motorenreglements im Automobilrennsport, das eine Hubraumbeschränkung auf 2 Liter vorsah, in neue Leistungsdimensionen vorzustoßen, war es zum einen notwendig, die erfolgreich eingeführte Kompressoraufladung noch effizienter zu gestalten und zum anderen, ein höheres Drehzahlniveau zu erreichen. Nur auf diese Weise war ein nachhaltiger Leistungszuwachs erzielbar. Porsche entschloss sich deshalb, einen Achtzylinder-Reihenmotor zu konstruieren – das erste derartige Triebwerk im Automobilbau der DMG.

In seiner Grundauslegung orientierte sich das neue Rennaggregat an dem im Vorjahr erfolgreich eingeführten Vierzylinder mit zwei oben liegenden Nockenwellen. Die einzeln stehenden Stahlzylinder mit den aufgeschweißten Stahl-Kühlmänteln waren wieder als Sackzylinder ausgebildet, d. h. mit dem Zylinderkopf zu einer Einheit verschweißt. Beibehalten wurde auch das bewährte Konzept des Gaswechsels mittels je zweier Ein- und Auslassventile pro Zylinder. Letztere waren wieder hohlgebohrt und mit Quecksilber gefüllt, um Temperaturspitzen zuverlässig zu absorbieren. Auf die Zylinderköpfe war ein Leichtmetallgehäuse aufgesetzt, das die Ventilsteuerung beherbergte. In ihm liefen die beiden Nockenwellen, die die Ventile über Gabel-Kipphebel betätigten. Neu war der Nockenwellenantrieb: Statt der aufwendigen Königswellen-Lösung sah Porsche hier einen Antrieb per Stirnradkaskade vor, die am hinteren Kurbelwellenende untergebracht war.

Auch bei der Kurbelwelle selbst bevorzugte Porsche ein einfacheres Konzept. Statt der gebauten Hirth-Kurbelwelle kam nun eine herkömmliche einteilige Kurbelwelle zum Einbau, die in fünf Rollenlagern gebettet war.

Im Hinblick auf die Effizienz der Kompressor-Aufladung nahm er ebenfalls eine grundsätzliche Modifikation vor: Hatte es bisher im Ermessen der Fahrer gelegen, den Kompressor durch nachdrücklichen Einsatz des Gaspedals zuzuschalten, lief er beim neuen Achtzylinder-Motor ständig mit. Zugleich wurde der bisher hermetisch abgedichtete Steigstromvergaser durch einen normalen Saugvergaser ersetzt.

Das Ergebnis von Porsches Entwicklungsarbeit konnte sich sehen lassen: Die Leistung des Achtzylinder-Reihenmotors betrug gegenüber den 150 PS/110 kW, die der Vierzylinder in seiner letzten Ausbaustufe erreicht hatte, nun 170 PS/125 kW. Noch eindrucksvoller geriet jedoch der Zuwachs an Drehvermögen. Während sich das Vorgängertriebwerk mit einer Nenndrehzahl von 4800/min begnügen musste, stellte der nicht weniger langhubige Achtzylinder seine Höchstleistung bei 7000/min bereit – ein angesichts der seinerzeit verfügbaren Technologien enorm hohes Drehzahlniveau.

Um auf der einen Seite die hohe Leistung gut auf den Boden bringen zu können und andererseits ein agiles Fahrverhalten zu erreichen, verfolgte Porsche das Ziel, ein Fahrgestell zu schaffen, bei dem alle stabilen und instabilen Massen möglichst mittig und möglichst tief zwischen den Achsen untergebracht waren. Zu diesem Zweck positionierte er den Motor hinter der Vorderachse und die beiden Sitzplätze nur knapp vor der Hinterachse. Um den Einfluss sich im Rennverlauf leerender Kraftstoff- und Öltanks auf das Fahrverhalten so weit wie möglich zu reduzieren, platzierte er den 25 Liter fassenden Öltank auf der linken Motorseite. Für den Kraftstofftank, der über 90 Liter Benzin aufnahm, ersann Porsche eine ganz spezielle Lösung: Er verlegte ihn zwischen die Längsholme des Chassisrahmens, wo er – nach unten abgerundet– den Platz zwischen hinterem Getriebeende und Hinterachse füllte.

In seiner sonstigen Ausführung blieb das Fahrgestell konventionell. Es bestand aus zwei mehrfach miteinander verstrebten Pressstahl-Längsträgern mit U-Profil, an denen vorne und hinten eine an Halbelliptikfedern aufgehängte und mit Reibungsstoßdämpfern ausgestattete Starrachse befestigt war. Die Verzögerung übernahmen Innenbacken-Trommelbremsen an Vorder- und Hinterrädern.

Die Theorie des hochmodernen Fahrzeugkonzepts war die eine Seite – die reale Einsatzpraxis des Achtzylinder-Rennwagens stellte sich jedoch weit weniger vielversprechend dar. Sowohl die Leistungscharakteristik des neuen Triebwerks wie das Fahrverhalten des Wagens erwiesen sich als problembehaftet. Trotz seiner langhubigen Auslegung litt der Motor unter einem ungünstigen Drehmomentverlauf. In weiten Teilen des Drehzahlspektrums fehlte es ihm an Durchzugskraft; erst kurz vor der Nenndrehzahl – dafür jedoch umso explosiver – erfolgte der Leistungseinsatz. Wenig hilfreich war dabei das nur drei Gänge aufweisende Getriebe, dessen zwangsläufig weite Gangspreizungen die mangelnde Elastizität des Achtzylinders noch stärker zur Geltung kommen ließ.

Die unangenehme Leistungsentfaltung des Renntriebwerks traf auf ein Fahrverhalten, das im Rennbetrieb alles andere als leicht zu beherrschen war. Zwar blieb es durch die ausgewogene Achslastverteilung lange Zeit neutral, reagierte aber bei Überschreiten des äußerst schmalen Grenzbereichs tückisch. Da Mitte der 1920er-Jahre weder Motoren mit „spitzer“ Leistungscharakteristik noch unberechenbare Fahreigenschaften zum üblichen Erfahrungshorizont selbst hochrangiger Werksfahrer gehörten, wurde es sogar für die Unerschrockensten unter ihnen zu einer echten Herausforderung, das an sich überlegene Leistungspotenzial des Achtzylinders im Renneinsatz auszuschöpfen.

Die im September 1924 fertiggestellte erste Ausführung des 2-Liter-Achtzylinder-Rennwagens wies einen flach gestalteten Kühler mit einem einzelnen zentral auf dem Wasserkasten platzierten Mercedes-Stern auf. Die vier einen Monat später beim Großen Preis von Italien in Monza eingesetzten Fahrzeuge waren dagegen mit einem leicht spitz gestalteten Kühler und zwei Mercedes-Sternen ausgerüstet.

Der Einsatz im Herbst 1924 stand unter keinem guten Stern. Beim Großen Preis von Italien, der zunächst Anfang September ausgetragen werden sollte und dann auf den 19. Oktober verlegt wurde, waren Christian Werner, Alfred Neubauer, Louis Zborowski und Conte Giulio Masetti jeweils mit dem neuen Achtzylinder am Start. Nachdem Masetti bereits in der 43. von 70 Runden aufgrund Benzinmangels ausgerollt war, überschattete der tödliche Unfall Zborowskis das Rennen und führte im weiteren Verlauf zum Rückzug der beiden verbliebenen Wagen von Werner und Neubauer.

1925 gab es jedoch die ersten Erfolge mit dem Achtzylinder bei nationalen Rennveranstaltungen zu vermelden. Heraus stachen dabei Werners Siege mit Tagesbestzeit beim erstmals veranstalteten ADAC Kilometer- und Bergrekord auf den Schauinsland vor den Toren Freiburgs im August 1925. Das Rennen auf den Schauinsland gewann Werner auf einer modifizierten Variante des Rennwagens, die auf seine Initiative hin entstanden und auf die besonderen Einsatzbedingungen bei Bergrennen abgestimmt war.

Im Folgejahr 1926 konnten auch Adolf Rosenberger und Otto Merz, die verschiedentlich mit dem 2-Liter-Achtzylinder-Rennwagen antraten, beachtliche Erfolge verzeichnen, Rosenberger unter anderem einen Klassensieg beim Herkules-Bergrennen und einen dritten Platz in der Rennwagenklasse bis 2 Liter beim Klausenpass-Rennen, Merz ebenfalls einen Klassensieg beim Rennen „Rund um die Solitude“ Mitte September.

Der bedeutendste Sieg auf einem der Achtzylinder gelang jedoch Rudolf Caracciola mit der viersitzigen Sportwagen-Version beim Großen Preis von Deutschland, der am 11. Juli 1926 auf der Berliner AVUS ausgetragen wurde. Es handelte sich um das erste internationale Rennen in Deutschland seit dem Ende des Ersten Weltkriegs.

Auch 1927 gab es eine Reihe von Erfolgen auf dem schwierig zu beherrschenden 2-Liter-Achtzylinder. Werner holte mit seinem Bergrennwagen im Rahmen der Internationalen Freiburger Rekordtage beim Flachrennen über den Kilometer mit fliegendem Start den Sieg mit Tagesbestzeit und einer Geschwindigkeit von 184,1 km/h; beim Bergrekordrennen auf den Schauinsland erzielte er einen Klassensieg. Auch am Klausenpass errang er – nun wieder auf der regulären Ausführung – beim nationalen wie beim internationalen Rennen in der Rennwagenklasse bis 2 Liter Hubraum jeweils einen Sieg. In Großbritannien verzeichnete in jenem Jahr Raymond Mays auf einem der Achtzylinder ebenfalls zahlreiche Erfolge – vor allem bei Sprintrennen, wo es primär um hohe Motorleistung und bestmögliche Traktion ging.

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