Mercedes-Benz Typ S, 1927 - 1928

Mercedes-Benz Typ S, 1927 - 1928

Mit dem 1927 eingeführten Sportwagen Typ S (S für Sport) begann für die seit Juni 1926 zur Daimler-Benz AG verschmolzenen ehemaligen Unternehmen Daimler-Motoren-Gesellschaft und Benz & Cie. auch im Betätigungsfeld Motorsport eine neue Ära. Unter Rückgriff auf zahlreiche technische Merkmale des erfolgreichen Rennsport-Tourenwagens Modell K aus dem Jahr zuvor, entstand eine automobile Ikone, die in ihrer Rennsport-Version gemeinsam mit den aus ihr entwickelten Evolutionsmodellen bis in die frühen 1930er-Jahre die internationalen Konkurrenzen der Rennsport-Tourenwagen und Rennsportwagen dominierte und der neugeschaffenen Marke Mercedes-Benz von Beginn an zu höchstem Ansehen verhalf.

Die Neukonstruktion setzte exakt dort an, wo man es beim Modell K noch an sportlichem Profil hatte fehlen lassen. So bediente man sich des beim Vorgänger bewährten Radstands von 3400 mm, verfeinerte aber für den Typ S die Auslegung des Fahrgestells nachhaltig. Um eine niedrige Fahrzeugsilhouette und einen möglichst tief liegenden und zwischen den Achsen konzentrierten Schwerpunkt zu erreichen, wurden die Kröpfungen an beiden Längsholmen des U-förmig profilierten Pressstahlrahmen sowohl an Vorder- wie an Hinterachse deutlich verstärkt. Dies ermöglichte eine besonders tiefe Einbaulage des voluminösen Sechszylinder-Kompressortriebwerks, das zudem um 300 mm nach hinten gerückt war, was ihn nach heutiger Terminologie zu einem Front-Mittelmotor machte. Ebenfalls im Sinne niedriger Bauhöhe wurde der aufrecht im Fahrtwind stehende Spitzkühler um etwa eine Handbreit flacher ausgeführt.

Für damalige Maßstäbe bot der offene viersitzige Rennsport-Tourenwagen, dessen leichtes Klappverdeck eher von symbolischer Bedeutung war, ein äußerst geduckt wirkendes, geradezu schlankes Erscheinungsbild. Tatsächlich war es den Ingenieuren gelungen, das Fahrzeuggewicht des neuen Typs im Vergleich zum Modell K, seinem Vorläufer, massiv auf 1900 Kilogramm zu senken – trotz des erheblich vergrößerten Motors.

Auch der Kompressor-aufgeladene, mit Königswellenantrieb der oben liegenden Nockenwelle versehene Sechszylinder des Vorgängermodells wurde tiefgreifend überarbeitet. Im Zentrum der Maßnahmen, die auf eine erhebliche Steigerung der Motorleistung abzielten, stand eine Hubraumerhöhung auf knapp 6,8 Liter. Zu diesem Zweck erhöhte man bei gleichbleibendem Hub von 150 mm das Bohrungsmaß um 4 mm auf 98 mm. Um den nötigen Platz zu schaffen, mussten größere Veränderungen am nach wie vor aus der Aluminium-Legierung Silumin bestehenden Motorblock vorgenommen werden: Er wurde von „trockenen“ auf „nasse“, das heißt direkt mit dem Kühlwasser in Kontakt kommende Zylinderlaufbuchsen umgestellt, eine damals hochmoderne Technologie, die eine effizientere Kühlung bewirkt und weniger aufwendig in der Fertigung ist, aber die Steifigkeit des Motorblocks herabsetzt.

Darüber hinaus sorgten eine Nockenwelle mit anderen Steuerzeiten sowie ein erhöhter Ventilhub für ein gegenüber dem ursprünglichen 6,2-Liter-Motor deutlich erhöhtes Leistungsvolumen. Beibehalten wurde die ungewöhnlich ausgelegte Doppelzündung, bei der je eine Zündkerze jedes Zylinders von einer Hochspannungs-Magnetzündung bzw. einer Batteriezündung mit Strom versorgt wurde.

Auch in Sachen Gemischbildung legten die Daimler-Benz Ingenieure nach. Statt eines Mercedes-Steigstromvergasers wurden nun deren zwei eingesetzt, die wiederum druckdicht ausgeführt waren und die vom Roots-Gebläse komprimierte Ladeluft in zündfähiges Gemisch verwandelten.

Das gesetzte Ziel, den Mercedes-Benz Typ S mit überlegener Motorleistung auszustatten, wurde dank dieser vielfältigen Maßnahmen in überzeugender Weise erreicht. Den Sechszylinder gab es in zwei Leistungsstufen: Während für die zahme, eher für den Straßeneinsatz gedachte Version 120 PS/88 kW ohne und 180 PS/132 kW mit Kompressor angegeben wurden, stand für den mit einer von 4,7:1 auf 5,5:1 erhöhten Verdichtung versehenen Sportmotor, der in Wettbewerbsfahrzeugen zum Einsatz kam, eine Spitzenleistung von 170 PS/125 kW ohne und von 225 PS/165 kW mit Kompressor zu Buche.

Bereits beim ersten Start bot die Rennsport-Version des Typ S unter dem jungen Fahrtalent Rudolf Caracciola einen Vorgeschmack auf das, was sich bis in die frühen und mit weiteren Evolutionsstufen des Grundmodells sogar bis in die späten 1930er-Jahre fortsetzen sollte: die nahezu totale Dominanz der Baureihe W 06 in den entsprechenden Tourenwagen- und Rennsport-Tourenwagen-Kategorien bei Flach- und Bergrennen. Caracciola steuerte beim Eröffnungsrennen des Nürburgrings am 19. Juni 1927 -zugleich das Renndebüt des neuen Modells - einen Typ S mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,1 km/h zum Sieg. Auf Rang 2 platzierte sich Adolf Rosenberger, ebenfalls auf einem Typ S, und auf Platz 3 der Privatfahrer von Mosch auf Modell K. Neben den beiden in der Anfangsphase ihrer Karriere befindlichen Talenten Caracciola und Rosenberger errangen unter anderem die Routiniers Otto Merz, Willy Walb, Christian Werner und Ernst-Günther von Wentzel-Mosau bis zum Ende der Motorsportsaison 1928 mit dem Typ S zahlreiche Siege und Spitzenplatzierungen. In- und ausländische Privatfahrer setzten diese Erfolgsserie bis Ende 1931 ungebrochen fort.

Nach insgesamt 146 hergestellten Einheiten endete die Chassis-Produktion für den Typ S im September 1928. Als Nachfolger war die Typen SS und SSK bereits drei Monate zuvor mit spektakulären Erfolgen in Erscheinung getreten.

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