Mercedes-Benz SSKL, 1931

Mercedes-Benz SSKL, 1931

Nach drei Jahren voller Siege und Spitzenplatzierungen besonders für den Rennsportwagen vom Typ SSK hielt die schnelllebige Welt des Motorsports zu Beginn der 1930er-Jahre neue Herausforderungen für die Mercedes-Benz Werksmannschaft bereit. Während der SSK in den Händen von Privatfahrern weiterhin und noch über Jahre zahllose Erfolge bei zumeist weniger im Rampenlicht stehenden Veranstaltungen errang, waren im Spitzensport, bei dem Werksfahrzeuge und Spitzenpiloten in den größten und bedeutendsten Rennen gegeneinander kämpften, neue Akteure auf den Plan getreten.

Alfa Romeo und Bugatti hatten während der 1920er-Jahre eine Reihe hochmoderner, leistungsstarker und in der Ausführung vergleichsweise zierlicher, leichtgewichtiger Rennfahrzeuge konzipiert, deren beachtliche Qualitäten sie zu ernstzunehmenden Konkurrenten für die Rennsport-Tourenwagen und Rennsportwagen von Mercedes-Benz machten. Selbst für den so überlegenen SSK stellte sich Ende 1930 die Wettbewerbssituation so dar, dass unter der Ägide von Daimler-Benz Entwicklungschef Dr. Hans Nibel trotz wirtschaftlich schwieriger Umstände ein letztes Evolutionsmodell der Baureihe W 06 konzipiert wurde, um die neuen Kontrahenten auf Distanz zu halten.

Nibel erkannte klar, was technisch notwendig war: Die neue Entwicklungsstufe musste mehr Leistung bei zugleich nachhaltig verringertem Gewicht bringen. Der Entwicklungschef und seine Mannschaft warfen ihre ganze Erfahrung in die Waagschale und schufen für die Motorsportsaison 1931 mit dem Typ SSKL – für „Super-Sport-Kurz-Leicht“ – einen reinrassigen Werksrennwagen, der den Höhe- und Schlusspunkt der Erfolgs-Baureihe W 06 markierte. Übrigens wurde dessen Typenbezeichnung ursprünglich offiziell nicht oder zumindest nicht konsequent verwendet: So wurden die insgesamt vier gebauten Fahrzeuge in den Kommissionsbüchern der Daimler-Benz AG als „SSK, Modell 1931“ bezeichnet. Erst ein Jahr später prägten Medien das heute übliche Kürzel „SSKL“.

Kennzeichnend für den SSKL war eine Fülle von kleineren und größeren Erleichterungsbohrungen an tragenden und nichttragenden Teilen des Fahrgestells und des Karosserieunterbaus sowie an bestimmten Anbauteilen. Darüber hinaus wurde die Wandstärke der U-förmigen Pressstahl-Rahmenprofile reduziert. Um die Stabilität der Gesamtkonstruktion dennoch nicht zu gefährden, wurden die Längsholme im Bereich des Motors und die vorderen Lagerpunkte der hinteren Blattfedern durch aufgesetzte Bleche verstärkt. Das Resultat dieser Bemühungen war eine Gewichtseinsparung von 125 kg. Fahrfertig brachte der SSKL statt der 1520 kg eines SSK der letzten Ausbaustufe nur noch 1352 kg auf die Waage und war damit kaum schwerer als seine wichtigsten Herausforderer unter den Rennsportwagen.

Parallel zur Reduzierung des Fahrzeuggewichts setzte der Motorenkonstrukteur Albert Heeß alles daran, dem in seiner Auslegung nicht mehr ganz aktuellen großvolumigen Kompressor-Sechszylinder eine nochmals höhere Spitzenleistung zu entlocken. Dabei bediente er sich klassischer Methoden: Um eine erhöhte Förderleistung des 18-Rippen-Roots-Gebläses zu erreichen, veränderte er dessen Antriebsübersetzung und drehte zudem den Betriebsmodus des Kompressors um – im SSKL lief er ständig mit und konnte auf Wunsch des Fahrers mittels eines Hebels unterhalb des Lenkrads ausgekuppelt werden. Entsprechend dem erhöhten Gebläse-Durchsatz vergrößerte Heeß mit Blick auf einen optimierten Gaswechsel im Brennraum den Tellerdurchmesser der Ein- und Auslassventile um 4 mm auf 56 mm. Abgerundet wurden die Maßnahmen zur Leistungssteigerung durch eine modifizierte Kurbelwelle, die mit Hilfe größerer Ausgleichsgewichte an den Hubzapfen den höheren Arbeitsdrücken angepasst wurde.

Auf diese Eingriffe reagierte das 7,1 Liter große Triebwerk mit einem gewaltigen Leistungssprung: Statt der 180 PS/132 kW ohne und 250 PS/184 kW mit Kompressoreinsatz, die im SSK zur Verfügung gestanden hatten, stellte das überarbeitete Triebwerk nun 240 PS/177 kW bei 2900/min ohne und 300 PS/221 kW bei 3400/min mit Kompressor bereit. Das daraus resultierende Leistungsgewicht von nur 4,5 kg/PS machte aus dem SSKL vor allem bei Berg- und Straßenrennen ein Wettbewerbsfahrzeug, das in den Händen talentierter Fahrer kaum zu bezwingen war.

Die Überlegenheit des SSKL wurde mit Beginn der Rennsaison 1931 unmittelbar deutlich. Rudolf Caracciola gelang gleich beim ersten Einsatz des Wagens auf der Mille Miglia, dem schon damals legendären 1000-Meilen-Rennen durch Italien, eine Sensation. Als erster nicht-italienischer Starter holte er sich in dem seit 1927 ausgetragenen Straßenrennen von Brescia nach Rom und zurück auf einem SSKL den Sieg gegen starke einheimische Fahrer und Fabrikate.

In dichter Folge schlossen sich 1931 weitere Erfolge des SSKL an, vor allem bei Bergrennen, etwa bei den international ausgetragenen Läufen zur Europa-Bergmeisterschaft, aber auch auf der Rundstrecke, zum Beispiel beim Eifel-Rennen auf dem Nürburgring, beim am gleichen Ort veranstalteten Großen Preis von Deutschland, wo sich Caracciola mit dem SSKL gegen Kaliber wie Louis Chiron und Achille Varzi auf Bugatti T51 und Tazio Nuvolari auf Alfa Romeo 8C 2300 durchsetzte, oder auf der AVUS in Berlin. Hauptprotagonisten am Lenkrad der SSKL waren neben Caracciola vor allem Manfred von Brauchitsch und Hans Stuck.

Rudolf Caracciola sicherte sich am Ende einer glorreichen Einstandssaison auf dem SSKL den Titel des Europa-Bergmeisters in der Sportwagen-Kategorie. In den Jahren 1932 und 1933 – Caracciola war zu Alfa Romeo abgewandert, nachdem Daimler-Benz das Motorsport-Engagement aus wirtschaftlichen Gründen hatte einstellen müssen, – beherrschten von Brauchitsch und Stuck auf den SSKL weiterhin die Szenerie im Bergrennsport. Stuck wurde 1932 Caracciolas Nachfolger als Europa-Bergmeister.

Ab 1934 wandte sich Daimler-Benz werkseitig ganz den Rennwagen und dem Grand-Prix-Sport zu – es begann die Ära der legendären Mercedes-Benz Silberpfeile.

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