Mercedes-Benz Grand-Prix-Rennwagen W 154, 1938

Mercedes-Benz Grand-Prix-Rennwagen W 154, 1938

Mit der auf 1938 terminierten Einführung einer neuen Rennformel für einsitzige Grand-Prix-Fahrzeuge – die übrigens auch für die in den USA ausgetragene AAA National Championship übernommen wurde – fand gewissermaßen ein Paradigmenwechsel in der Top-Kategorie des internationalen Automobilrennsports statt. Der Automobil-Dachverband AIACR (Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus) verfolgte mit der im Oktober 1936 verkündeten Regelreform das Ziel, die Entwicklung der mit Einführung der 750-kg-Formel im Jahr 1934 explosionsartig gestiegenen Motor- und damit Fahrleistungen besser unter Kontrolle halten zu können.

Statt der minimalen technischen Beschränkungen der 750-kg-Formel gab es nun je nach Hubvolumen eine gleitende Limitierung der Wagengewichte, die diesmal als Mindestgewichte definiert waren. Erlaubt waren Saugmotoren von 1000 cm³ bis 4500 cm³ und Kompressormotoren von 666 cm³ bis 3000 cm³, denen jeweils bestimmte Fahrzeugmindestgewichte (ohne Kraftstoff, Öl und Kühlwasser) zugeordnet wurden. Absicht dieser in Schritten à 100 cm³ erstellten Auflistung des AIACR war die Schaffung eines möglichst einheitlichen Leistungsgewichts trotz unterschiedlichster Motorgrößen und -konzepte. Vorgaben zur Zylinderzahl oder anderen wichtigen Kenngrößen des Antriebsaggregats wurden nicht gemacht. Auch die Wahl des Kraftstoffs war freigestellt.

Für Daimler-Benz ebenso wie für den hartnäckigen einheimischen Konkurrenten Auto Union bedeutete das neue Regelwerk, dass ab Herbst 1936 immense Anstrengungen unternommen werden mussten, um einerseits den aktuellen Rennbetrieb mit Erfolg fortsetzen und andererseits ein neues Einsatzfahrzeug für 1938 entwickeln zu können. Dabei war das inzwischen erreichte technische und budgetäre Niveau so hoch, dass sich außer den beiden deutschen Teilnehmern nur noch die französische Pkw- und Lastwagenmarke Delahaye in der Lage sah – wirtschaftlich gestärkt durch nicht unerhebliche Zuwendungen der französischen Regierung –, die Rennen der neuen Formel mit einem eigens konstruierten Wagen, dem Typ 145 mit 4,5-Liter-V12-Saugmotor, zu beschicken.

Nach einer Zwischenphase, in der das Untertürkheimer Entwicklungsteam dank wieder bestehender Kontakte zum Konstruktionsbüro Porsche auch externe Konzepte wie einen Mittelmotorrennwagen mit 3-Liter-V12-Triebwerk oder einen 4,5-Liter Saugmotor in W-Konfiguration mit drei Zylinderreihen à acht Zylindern ventilierte, entschied sich der Vorstand der Daimler-Benz AG Ende Juli 1937 für eine Eigenentwicklung. Der M 154 genannte Motor war als V12 mit zwei Kompressoren und - entsprechend dem neuen Reglement - einem maximal zulässigen Hubraum von 3 Litern ausgelegt. Das Gewicht des neuen Wagens, der die Bezeichnung W 154 erhielt, musste demnach ohne Betriebsstoffe mindestens 850 kg betragen.

Die Entscheidung für ein V12-Triebwerk war trotz des erheblich höheren Drehzahlniveaus bei nur 3 Litern Hubraum ein logischer Schritt: Aus dem Flugmotorenbau und der Entwicklung der 5,7 Liter großen DAB-Motoren, die in einigen Rekordfahrzeugen eingesetzt wurden, lagen umfangreiche Erfahrungen mit Motoren dieser Bauart vor. Die Konstrukteure um Albert Heeß ließen sich dennoch zum größten Teil von den traditionellen Rezepten des Rennmotorenbaus bei Daimler-Benz leiten. So griff man wieder auf die hoch belastbare, aber auch schwergewichtige Auslegung zurück, bei der die Zylinder mit dem Zylinderkopf zu einer Einheit verschweißt waren und über aufgeschweißte Kühlmäntel aus Stahlblech verfügten. Der Zylinderbankwinkel des neuen Triebwerks betrug schwingungstechnisch ideale 60 Grad, wobei die sechs Zylinder jeder Bank zu je zwei Dreiereinheiten aufgeteilt waren – auch dies eine klassische Lösung bei Mercedes-Benz Rennmotoren.

Den Gaswechsel des mit einem Bohrung-/Hub-Verhältnis von 67 mm x 70 mm nur knapp unterquadratisch ausgelegten V12 besorgten je zwei Quecksilber-gekühlte Einlass- und Auslassventile mit einem Tellerdurchmesser von 30 mm. Sie wurden über Kipphebel von zwei per Stirnradkaskade angetriebenen oben liegenden Nockenwellen pro Zylinderbank betätigt. Gezündet wurde das Verbrennungsgemisch über jeweils eine zentral im Zylinderkopf positionierte Zündkerze.

Da die Neukonstruktion nicht mehr - wie noch die DAB-V12-Motoren - über Gabelpleuel verfügte, ergab sich beim M 154 wieder jener leichte Zylinderversatz, der typisch für V-Motoren mit konventionell nebeneinander liegenden Pleueln ist. Es kam offenbar nicht mehr darauf an, auch die letzten Zentimeter Einbauraum zu sparen.

Im Bereich der Gemischaufbereitung schweiften die Gedanken der Konstrukteure zunächst eindeutig in Richtung direkter Benzineinspritzung – eine zukunftsweisende Technologie, bei der die Daimler-Benz Konstrukteure absolute Pionierarbeit geleistet hatten. Der im Jahr 1937 erfolgreich gelungene Serieneinsatz bei Flugmotoren mit ihrem wenig komplexen Lastverhalten bedeutete aber noch lange nicht, dass eine solche Benzineinspritzung mit allen ihren Vorteilen auch im Automobilsport, der höchste Anforderungen an die Fahrbarkeit des Triebwerks stellte, problemlos verwendbar war.

Da hier erheblich mehr Entwicklungszeit vonnöten gewesen wäre, orientierte man sich in Sachen Gemischbildung am Ende doch am bewährten Reihenachtzylinder M 125, bei dem man die leistungssteigernden Eigenschaften eines – vor dem Kompressor angeordneten - Saugvergasers gegenüber einem nachgeschalteten Druckvergaser klar erkannt und entsprechend genutzt hatte. Im neuen M 154 kam deshalb ein den beiden Kompressoren vorgeschalteter Saug-Doppelvergaser samt zusätzlichem Schiebervergaser zum Einsatz. Die beiden senkrecht stehenden Roots-Gebläse selbst fielen aufgrund des geringeren Hubvolumens deutlich kleiner aus als bei den Vorgängertriebwerken. Die Höhe der Drehflügel betrug nur noch 150 mm, ihr Durchmesser 105,7 mm.

Die hoch spezifizierte Technik des neuen 3-Liter-V12-Triebwerks resultierte in einer spezifischen Leistung, die in neue Dimensionen führte. Hatten die bisherigen Reihenachtzylinder Literleistungen von um die 100 PS/74 kW vorzuweisen, betrugen diese beim neu konstruierten Motor um die 160 PS/118 kW. Absolut betrachtet stellten die V12-Aggregate ein Leistungsvolumen bereit, das je nach Exemplar, Verdichtungsverhältnis und Kompressorausstattung von 397 PS/292 kW bis 483 PS/355 kW reichte. Dabei lagen die Nenndrehzahlen bei 7800/min bis 8000/min– kein Vergleich zu den eher gemächlichen 5800/min der alten Achtzylinder.

Natürlich forderte dieses Leistungs- und Drehzahlniveau seinen Tribut in Form von astronomischen Kraftstoffverbräuchen. Die aus Gründen bestmöglicher Innenkühlung von Triebwerk samt Peripherie mit hohem Alkoholgehalt versehene Mixtur floss in Mengen von bis zu 150 Litern pro 100 Rennkilometer durch die Vergaser. Das stellte die Konstrukteure vor ganz spezielle Probleme, da enorme Kraftstoffmengen im Fahrzeug mitgeführt werden mussten, wollte man mit möglichst wenigen Tankstopps während eines Rennens auskommen.

Das wesentlich breitere Drehzahlspektrum des M 154 und dessen veränderte Leistungscharakteristik machten ein Abgehen von den bisher stets eingesetzten 4-Gang-Getrieben unausweichlich. So kam im neuen 3-Liter-Formel-Rennwagen erstmals ein Getriebe mit fünf Gängen zum Einbau, das den Fahrern die Möglichkeit gab, den V12 stets im optimalen Drehmomentfenster zu halten.

Die tiefgreifende Weiterentwicklung, die der 1937 erfolgreiche W 125 in den Bereichen Rahmen und Fahrwerk erfahren hatte, kam auch dem neuen W 154 zugute. Man übernahm das Konzept eines mehrfach querversteiften Leiterrahmens, dessen Längsträger aus Rohren von ovalem Querschnitt bestanden. Für den aktuellen 3-Liter-Rennwagen wurden zum Zweck weiter verbesserter Torsionssteifigkeit zwischen hinterer Motorlagerung und dem Rahmenheck zusätzliche Verstärkungsbleche eingeschweißt. Versuche ergaben, dass dadurch die Verwindungsfestigkeit um rund 30 % zunahm.

Ausgehend von dieser Basis stand für die Konstrukteure eine deutliche Optimierung der Fahrdynamik im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit. Als Mittel zum Zweck sollten eine weitere Absenkung des Fahrzeugschwerpunkts sowie eine traktionsfördernde Achslastverteilung erreicht werden. Das kompakte V12-Triebwerk bot dafür wesentlich bessere Voraussetzungen als der lang bauende Reihenachtzylinder des W 125. Am Ende entschloss man sich, den neuen Motor um 6,5 Grad in Fahrtrichtung nach rechts und zugleich leicht nach hinten geneigt zu positionieren. Als Folge ergab sich eine nach stark links versetzt Richtung Transaxle laufende Antriebswelle und eine extrem tiefe Fahrersitzposition. Auf diese ingeniöse Weise konnte sowohl die angestrebte Schwerpunktabsenkung wie auch die leicht in Richtung Hinterachse verlagerte Achslastverteilung realisiert werden.

Da sich die für den W 125 neu entwickelten Vorder- und Hinterradaufhängungen in der Rennpraxis bewährt hatten, gab es hier beim W 154 keine grundsätzlichen Veränderungen. Vorne blieb es bei den doppelten Trapezlenkern mit Schraubenfedern und hydraulischen Doppelkolben-Stoßdämpfern; hinten kam weiterhin die bekannte Drehstab-gefederte De-Dion-Achse mit ebenfalls hydraulischen Doppelkolben-Stoßdämpfern zum Einsatz. In Kombination mit einem gegenüber dem W 125 leicht um 68 mm auf 2730 mm verringerten Radstand, ergab diese Auslegung des W 154 Chassis ein Fahrverhalten, das bei den Piloten von Beginn an Begeisterung auslöste.

Wegen seines im Vergleich zum W 125 trotz aller Einsparungsbemühungen um fast 120 kg gestiegenen Gewichts und der höheren Fahrdynamik stieß die Bremsanlage des W 154 mit ihren vier im Durchmesser 400 mm messenden Trommeln allmählich an Grenzen. Als Konsequenz baute man deshalb bei manchen Renneinsätzen an der Hinterachse auf 470 mm Durchmesser vergrößerte Bremstrommeln ein.

Ein besonders schwieriges Kapitel der W 154 Entwicklung betraf die Konfiguration der Kraftstoffbehälter. Da aufgrund der hohen Verbrauchswerte des V12 erhebliche Mengen des hochbrisanten Treibstoffs an Bord mitgeführt werden mussten, bekam die Frage nach deren optimaler, sprich: das Fahrverhalten je nach Füllstand am wenigsten beeinflussender Unterbringung höchste Priorität. Da man seitlich neben dem Fahrer platzierte Tanks aus Sicherheitsgründen ablehnte, entschied sich das Konstrukteursteam für eine innovative zweiteilige Lösung, bestehend aus einem „Satteltank“ genannten Kraftstoffbehälter zwischen dem hinteren Motorende und dem Fahrer sowie einem damit verbundenen Hecktank. Die günstigste Verteilung des für einen Grand Prix als notwendig erachteten Gesamtvolumens von rund 400 Litern auf die beiden Kraftstoffbehälter war Gegenstand ausführlicher Versuchsfahrten.

Je nach Einsatz und den persönlichen Vorlieben der Fahrer, was das Eigenlenkverhalten des Wagens anging, entschied man sich am Ende für unterschiedliche Konfigurationen. Zunächst hatte man einen großen Satteltank und einen kleinen Hecktank vorgesehen, doch Hermann Lang und Manfred von Brauchitsch bevorzugten wegen der geringeren Übersteuerneigung die genau umgekehrte Auslegung. Rudolf Caracciola hingegen konnte mit einem unvermittelt ausbrechenden Heck am W 154 bestens umgehen, weshalb sein Einsatzfahrzeug zeitweise neben dem großen Hecktank auch einen besonders voluminösen Satteltank bekam. Dieser erhöhte das Gesamtfassungsvermögen der Kraftstoffbehälter auf stattliche 475 Liter.

Die Ausführung der Tanks beeinflusste nicht nur das Fahrverhalten, sondern auch das äußere Erscheinungsbild des neuen 3-Liter-Formel-Rennwagens. Neben der auffällig niedrigen Silhouette, die der speziellen Einbaulage des V12-Triebwerks geschuldet war und den W 154 tief geduckt auf der Straße kauernd erscheinen ließ, führten die unterschiedlich großen Tanks zu Veränderungen der Linienführung und der Fahrzeugproportionen. Mit kleinerem Satteltank und großem Hecktank mutete der W 154 optisch perfekt ausbalanciert und hochelegant an, während er mit großem Sattel- und kleinem Hecktank deutlich gedrungener wirkte.

Insgesamt wurden für die unterschiedlichen Renneinsätze in den Jahren 1938 und 1939 vierzehn W 154 Fahrgestelle gebaut. Ein fünfzehntes Exemplar wurde von Daimler-Benz nach dem Krieg aus Einzelteilen gefertigt und neben zwei Vorkriegsexemplaren des W 154 Mitte und Ende Februar 1951 in Argentinien bei zwei formelfreien Rennen auf einem Flugplatzkurz nahe Buenos Aires ein letztes Mal werkseitig an den Start gebracht.

Für die bevorstehende Saison 1938 hatte der damalige Automobil-Dachverband AIACR (Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus), zugleich oberste Motorsporthoheit, lediglich vier Rennen, die Großen Preise von Deutschland, der Schweiz, Italien und – neu hinzugekommen – den Grand Prix de l‘ACF in Reims, als zur Europameisterschaft zählende Läufe benannt. Neben diesen sah der Rennkalender der Mercedes-Benz Mannschaft noch Starts bei fünf weiteren Veranstaltungen vor, dem Großen Preis von Pau, dem Großen Preis von Tripolis, der Coppa Ciano sowie der Coppa Acerbo, beide in Italien, und dem Donington Grand Prix auf der gleichnamigen englischen Rennstrecke.

Der Saisonauftakt für die Mercedes-Benz Rennmannschaft fand bereits beim ersten Grand Prix des Jahres am 10. April 1938 auf dem engen Stadtkurs im südwestfranzösischen Pau statt. Zum Aufgalopp hatte man zwei der brandneuen und gerade einsatzreifen W 154 unter Rudolf Caracciola und Hermann Lang gemeldet. Drei weitere Werksteams, die unverdrossene Delahaye-Mannschaft mit drei ihrer 4,5-Liter-V12-Boliden vom Typ 145, Alfa Corse mit ebenfalls drei Tipo 308 mit 3-Liter-Reihenachtzylinder sowie Bugatti mit einem einzelnen T59/50 stellten sich den Untertürkheimern. Das Rennen nahm einen überraschenden Verlauf: René Dreyfus auf dem schnellsten Delahaye konnte dem Tempo Caracciolas folgen und übernahm nach einem notwendig gewordenen Tankstopp des Remageners die Führung. Hermann Lang, dessen Wagen nach Problemen nicht hatte starten können, übernahm Caracciolas W 154, konnte aber nicht mehr zum französischen Lokalmatator aufschließen und musste sich im Ziel mit Rang zwei begnügen.

Fünf Wochen später, am 15. Mai, folgte der Grand Prix von Tripolis auf dem Kurs von Mellaha im damals zum italienischen Hoheitsgebiet gehörenden Libyen. Die Untertürkheimer traten diesmal mit drei Wagen für Caracciola, von Brauchitsch und Lang an. Neben Delahaye, Alfa Romeo und Bugatti griff nun auch das Werksteam von Maserati mit dem neuen Typ 8CTF ins große Geschehen ein. Auf dem schnellen Kurs in Nordafrika zeigte sich indes die wahre Leistungsstärke der W 154. Der überlegene Dreifachsieg in der Reihenfolge Lang, von Brauchitsch, Caracciola setzte ein Zeichen für den weiteren Saisonverlauf und ließ ahnen, dass das neue technische Reglement, das auf möglichst einheitliche Leistungsgewichte unterschiedlich motorisierter Fahrzeuge abzielte, unter den gegebenen Umständen keineswegs so etwas wie Chancengleichheit herzustellen vermochte.

Am 3. Juli 1938 folgte der zur Europameisterschaft zählende Grand Prix de l’ACF, der auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Reims ausgetragen wurde. Zwar hatte die Meldeliste insgesamt 19 Teilnehmer umfasst, doch rollten am Ende nur neun Wagen an den Start, vier französische und fünf deutsche, und zwar drei W 154 und erstmals zwei neue Auto Union Typ D mit 3-Liter-V12-Mittelmotor. Während die Zwickauer mit Problemen zu kämpfen hatten und beide Wagen durch Unfälle vorzeitig verloren, demonstrierte die Mercedes-Benz Mannschaft ihre geradezu erdrückende Dominanz mit einem erneuten Dreifacherfolg durch von Brauchitsch, Caracciola und Lang. Der Vorsprung der drei Erstplatzierten auf den Vierten, den Franzosen René Carrière auf einem Talbot T150C mit 4,5-Liter Sechszylinder, betrug nicht weniger als 10 Runden.

Drei Wochen später, am 24. Juli, fand der nächste Europameisterschaftslauf statt, der Große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Daimler-Benz hatte fünf W 154 gemeldet, von denen schließlich vier das Rennen aufnahmen. Die Auto Union brachte vier ihrer neuen Mittelmotorwagen an den Start. Weitere Werksteams kamen von Alfa Romeo, die zwei der neuen Tipo 312, ebenfalls von einem 3-Liter-V12 angetrieben, erstmalig einsetzten, und von Delahaye, die mit zwei der bekannten T145 mit 4,5-Liter-V12-Saugmotor in der Eifel antraten.

Das Rennen verlief turbulent und war von einer Reihe von Unfällen und Missgeschicken der Favoriten gekennzeichnet. In die Geschichte ging von Brauchitschs Boxenstopp ein, der mit einem kurzen, zum Glück ohne schwerwiegende Blessuren abgegangenen Feuerinferno endete, als sich das nicht sichtbar brennende Benzin-Renngemisch schlagartig entzündete. Überraschungssieger wurde der Brite „Dick“ Seaman, der seinen W 154 schadlos über die 22 Rennrunden ins Ziel brachte. Als Zweiter platzierte sich Hermann Lang auf Caracciolas Wagen. Der Remagener hatte wegen Unwohlseins aufgeben müssen. Die Ränge drei und vier gingen an die Auto Union, deren neuer Typ D noch nicht das Tempo der W 154 mitgehen konnte.

Mit der Coppa Ciano und der Coppa Acerbo standen als nächstes zwei nicht zur Europameisterschaft zählende Rennen auf italienischem Boden im Einsatzkalender der Mercedes-Benz Rennmannschaft. Für die Anfang August 1938 auf einem Rundkurs nahe Livorno stattfindende Coppa Ciano hatte die Auto Union nach der Enttäuschung auf dem Nürburgring ihre Teilnahme abgesagt. Mit Hermann Lang, Rudolf Caracciola und Manfred von Brauchitsch standen dagegen drei W 154 in der Startaufstellung.

Stark präsentierte sich Conte Trossi, der mit seinem Werks-Maserati 8CTF nicht nur Trainingsschnellster war, sondern in der Frühphase des Rennens einige Runden lang die Führung behaupten konnte. Auch die Alfa Romeo Tipo 312 zeigten sich deutlich verbessert. Speziell Giuseppe Farina demonstrierte mit Rang drei im Ziel und weniger als 50 Sekunden Rückstand das Potenzial des Zwölfzylinder-Alfa. Zwar wurde Manfred von Brauchitsch als Sieger abgewunken, doch ging nach dessen Disqualifikation wegen Inanspruchnahme unerlaubter Hilfe der Sieg nachträglich an den eigentlich zweitplatzierten Hermann Lang. Caracciola war etwa zur Hälfte des Rennens defektbedingt ausgeschieden.

Bereits am Folgewochenende stand der Start bei der Coppa Acerbo auf dem Programm. Das auf einem Dreieckskurs in der Umgebung von Pescara veranstaltete Rennen bestätigte das etwas differenziertere Bild der Kräfteverhältnisse, das die Coppa Ciano vermittelt hatte. Zwar kam Rudolf Caracciola auf dem W 154 zu einem souveränen Sieg, doch erzielte erneut Giuseppe Farina auf dem Alfa Romeo Tipo 312 mit dem zweiten Platz ein glänzendes Ergebnis, während die beiden Wagen von Lang und von Brauchitsch sowie alle drei Auto Union vorzeitig hatten aufgeben müssen.

Der enge Rennkalender sah wiederum eine Woche später den Grand Prix der Schweiz als nächsten Europameisterschaftslauf vor. Starker Regen machte den schnellen Kurs im Berner Bremgartenwald zu einer hoch riskanten Herausforderung. Dennoch gelang dem Mercedes-Benz Trio bestehend aus Rudolf Caracciola, „Dick“ Seaman und Manfred von Brauchitsch ein klarer Dreifachsieg unter schwierigsten Bedingungen, wobei Caracciola wieder einmal sein spezielles Talent als meisterhafter Regenfahrer eindrucksvoll unter Beweis stellte. Stuck auf dem letzten verbliebenen von ursprünglich vier Auto Union Typ D wurde Vierter knapp vor Farina auf dem Werks-Alfa 312.

Bereits vor dem letzten Lauf zur Grand-Prix-Europameisterschaft war klar, dass das Championat Rudolf Caracciola und seinem W 154 nicht mehr zu nehmen war. Mit zwei zweiten Plätzen und einem Sieg führte er die Wertungstabelle an, auf der seine drei Hauptkonkurrenten, die Mercedes-Benz Teamkollegen Hermann Lang, „Dick“ Seaman und Manfred von Brauchitsch, bereits durch Nichtteilnahme oder Ausfälle in Rückstand geraten waren.

Das am 11. September 1938 auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Monza gestartete Rennen nahm für das Team aus Untertürkheim einen enttäuschenden Verlauf. Während Seaman, Lang und von Brauchitsch mit technischen Problemen aufgeben mussten, kämpfte sich der nicht im Vollbesitz seiner Kräfte befindliche Rudolf Caracciola trotz eines Ausrutschers und einer zwischenzeitlichen Wagenübergabe an von Brauchitsch eisern durch und konnte mit drei Runden Rückstand im Ziel noch Platz drei sichern. Dem einheimischen Rennheroen Tazio Nuvolari, inzwischen als Nachfolger des bei Rekordfahrten tödlich verunglückten Bernd Rosemeyer bei Auto Union unter Vertrag, gelang der erste Sieg für den neuen Mittelmotor-Typ D mit nur wenigen Sekunden Vorsprung vor dem erneut stark auftretenden Giuseppe Farina auf dem neuen Alfa Romeo Tipo 316 mit 3-Liter-V16-Triebwerk.

Die hügelige Rennstrecke von Donington Park in den britischen Midlands war wie im Vorjahr Schauplatz des letzten, allerdings nicht mehr zur Europameisterschaft zählenden Grand Prix der Saison 1938. Der Donington Grand Prix konnte als weiterer Ausweis für die erkennbar verbesserte Wettbewerbsfähigkeit des Auto Union Typ D dienen. Tazio Nuvolari gelang mit dem Mittelmotorwagen auch hier ein Sieg, ohne dass er dabei von glücklichen Umständen profitiert hätte. Die Ränge zwei und drei belegten Lang und der britische Lokalmatador Seaman auf ihren W 154. Rudolf Caracciola hatte krankheitsbedingt die Reise nach Großbritannien gar nicht erst angetreten. Alfa Corse, das Werksteam von Alfa Romeo, war dem Rennen ebenfalls ferngeblieben. Die drei verbleibenden Werkswagen, der Maserati 8CTF von Luigi Villoresi und die beiden Delahaye T145 waren mit technischen Defekten ausgefallen.

Die Rennsportsaison 1938 hatte sich für Daimler-Benz als die bisher erfolgreichste der jüngeren Firmengeschichte erwiesen. Sie war weithin gekennzeichnet von absoluter Dominanz des W 154 und hatte Rudolf Caracciola nach 1935 und 1937 den dritten Europameistertitel beschert. Zum Saisonende jedoch gab es klare Anzeichen dafür, dass die Konkurrenten aus Zwickau mit ihren Mittemotor-Boliden im Folgejahr wieder zu einem hartnäckigen Herausforderer zu werden drohten.

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