PKW3051 Nürburg 460 / 500, Typ 500 N (W 08), 1928 - 1939

Nürburg 460 / 500, Typ 500 N (W 08), 1928 - 1939

Letzter Eckpfeiler des nach der Fusion neu gestalteten Mercedes-Benz Pkw-Programms war ein unter Leitung von Ferdinand Porsche entwickeltes 4,6-l-Modell mit Achtzylinder-Motor, das die Bezeichnung Typ Nürburg 460 erhielt. Der Grund für diese Namensgebung lag nicht in der besonderen Sportlichkeit dieses Modells, sondern in einer Dauererprobung auf dem Nürburgring. Hier hatte ein Typ 460 in 13 Fahrtagen 20 000 Kilometer zurückgelegt.

Der im Oktober 1928 auf dem Pariser Automobil-Salon vorgestellte Typ Nürburg 460 fungierte als Nachfolger des vier Jahre zuvor präsentierten Sechszylinder-Kompressormodells 15/70/100 PS, das noch bis Februar 1929 produziert wurde. Er war das erste Serienautomobil der ältesten Automobilfabrik der Welt, das mit einem Achtzylinder-Motor ausgerüstet war. Deshalb wurde er in einigen Druckschriften auch "Nürburg 8" genannt, und das Deckblatt der frühen Kataloge zierte eine goldgeprägte 8, die in eine Raute eingebettet war.

Bei seinem ersten Auftritt wirkte der neue Mercedes-Benz der Oberklasse mit seinem Hochrahmenchassis tatsächlich wie seine Namensgeberin, die Nürburg: schon etwas betagt und angestaubt. Das ließ bei einem Verkaufspreis für die Pullman-Limousine von RM 20.000,- nicht unbedingt auf eine Erfolgsstory schließen. Ferdinand Porsches Nachfolger Dr.-Ing. E.h. Hans Nibel, mit Wirkung vom 1. Januar 1929 Chefkonstrukteur der Daimler-Benz AG, überarbeitete den Nürburg denn auch bereits für sein zweites Modelljahr. So konnte der Öffentlichkeit schon im Herbst 1929, wiederum auf dem Pariser Salon, ein wesentlich gefälligeres Fahrzeug präsentiert werden. Dr. Nibel hatte den Hochrahmen durch einen Niederrahmen ersetzt. Das niedrigere Fahrzeug wirkte gestreckter und eleganter und stand in seiner äußeren Erscheinung den Wettbewerbern nun in nichts mehr nach.

Von dem Nürburg der ersten Jahre gab es neben der Variante mit normalem Radstand auch eine kurze Ausführung, die den Zusatz "K" trug. Das "K" stand allerdings hier nicht für "Kompressor", sondern für "kurz". Der 460 K hatte einen 240 mm kürzeren Radstand und einen 50 kg leichteren Rahmen. Beiden Varianten gemeinsam waren der 80 PS starke Achtzylinder-Reihenmotor und das Viergang-Getriebe.

Das kurze Fahrgestell wurde für 4/5-sitzige Aufbauten verwendet, die als Limousine, offener Tourenwagen und Cabriolet D erhältlich waren. Die Niederrahmen-Variante des 460 K war zusätzlich noch als Spezial-Cabriolet C "St. Moritz" lieferbar. Der klangvolle Name des Engadiner Wintersportortes wurde diesem Modell Anfang 1930 verliehen, da es bei einer dort veranstalteten Schönheitskonkurrenz die beste Wertung aller vorgeführten Wagen erhalten hatte. Die Tatsache, dass die Windschutzscheibe schräg gestellt war, wurde damals als Besonderheit extra hervorgehoben; so bezeichnet die Preisliste vom Dezember 1931 das Sondermodell als "Spezial-Cabriolet C "St. Moritz" in Sonderausführung, Führerscheibe schräg". Eine Sonderausführung des Nürburg 460 auf dem kurzen Fahrgestell war in keinem Prospekt und keiner Preisliste enthalten: Ein 2-sitziger Sportroadster, von dem zwei Fahrzeuge an Motorsport-Veranstaltungen des Jahres 1929 teilnahmen. Rudolf Caracciola und Otto Merz steuerten diese ungewöhnlichen Sportwagen bei der Internationalen Alpenfahrt über eine Distanz von 2 660 km und bei der 8 Stunden dauernden ADAC-Langstreckenfahrt für kompressorlose Tourenwagen auf dem Nürburgring.

Der Nürburg 460 mit normalem Radstand war als offener Tourenwagen und als Pullman-Limousine, jeweils mit 6 bis 7 Sitzen, erhältlich. Ab Ende 1931 wurde die Modellpalette durch ein 6/7-sitziges Cabriolet F ergänzt, das allerdings nicht mit Sindelfinger Karosserie, sondern mit Fremdaufbauten von Neuß, Erdmann & Rossi, Voll & Ruhrbeck, Papler sowie Gläser angeboten wurde. Die hauseigenen Karosserien der anderen Varianten entstanden nicht nur im Werk Mannheim, wo sämtliche Modellvarianten des Typ Nürburg gefertigt wurden, sondern teilweise auch in Sindelfingen. Bei besonders hochkarätigen Kunden wie z.B. Papst Pius XI. wurde auch für den Nürburg der Pullman-Aufbau des "Großen Mercedes" verwendet. Wie seinerzeit allgemein üblich, konnte der Kunde auch das unkarossierte Fahrgestell erwerben und bei einem Karossier mit einem Aufbau seiner Wahl versehen lassen. Zu diesem Zweck waren Fahrgestelle in beiden Radständen erhältlich.

Als ganz spezielle Variante des Typ "Nürburg" entstand im Februar 1931 eine Pullman-Limousine in Sonderschutzausführung, die durch eine Serie zeitgenössischer Archivfotos dokumentiert ist. Die Panzerung bestand aus verschiebbaren Stahlplatten, mit denen die Fenster von innen geschützt werden konnten. Ob Dach und Türen ebenfalls gepanzert waren, läßt sich auf den Fotos nicht erkennen. Die Frontscheibe war durch eine zusammenklappbare Stahlplatte geschützt, die im entfalteten Zustand nur eine kleinen Sehschlitz freiließ. Bei ausgefahrenen Schutzeinrichtingen konnten die Passagiere durch ein auf dem Dach angebrachtes Periskop ihre Umwelt wahrnehmen. Leider läßt sich nicht mehr nachvollziehen, unter welchen Umständen und für welchen Auftraggeber das auf den Fotos gezeigte Fahrzeug gebaut wurde. Die Tatsache, dass es sich um eine Rechtslenker-Version handelt, könnte aber darauf hindeuten, dass dieses Exemplar nach Japan geliefert wurde - wie zwei gepanzerte Pullman-Limousinen des Typs "Großer Mercedes" im August 1932 und Januar 1935.

Ab Februar 1931 wurde der Typ Nürburg 460 auf Wunsch mit einem Schnell- bzw. Spargang geliefert. Der Mehrpreis für diese Sonderausstattung betrug stattliche 2.000,- RM, beinhaltete jedoch die Ausrüstung mit Zeiss-Scheinwerfern und umfaßte außerdem noch einen hubraumstärkeren Motor. In der Preisliste vom Februar 1931 heißt es: "Es wird in diesem Falle ein etwas stärkerer Motor von rund 5 Liter Zylinderinhalt eingebaut. [...] Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass diese Ausführung schon bei Bestellung des Wagens in Auftrag gegeben werden muß, da ein nachträglicher Einbau des stärkeren Motors nicht möglich ist." Dies war die Geburt des Typ Nürburg 500, auch wenn diese Bezeichnung zunächst nicht verwendet wurde. Kaum ein Jahr nach Einführung des Schnellgangs wurde die 5-l-Variante zum eigenständigen Modell, zu dem die Preisliste vom Dezember 1931 bemerkt: "Da die Nachfrage nach unserem Typ "Nürburg" mit Schnell- und Spargang sich immer mehr gehäuft hat, haben wir uns veranlaßt gesehen, dieses Modell auch in Serien zu bauen. Es handelt sich bei diesem Typ um eine höchstvollendete Ausführung, mit allen Errungenschaften der modernen Fahrzeug-Technik ausgestattet. Dieser Typ hat einen Motor von rund 5 Liter Inhalt und gibt dem bisher schon rühmlichst bekannten Nürburgwagen einen besonderen Elan. Durch die Ausstattung des Fahrzeuges mit Schnell- und Spargang und mit Bosch-Dewandrebremse erhält dieser Typ die höchste Vollkommenheit. Dieser Typ ist ein Klassewagen mit unvergleichlichen Fahreigenschaften."

Weniger emphatisch formuliert könnte man feststellen, dass die Wettbewerbslage die leistungsstärkere Ergänzung der Typenreihe erfordert hatte. Durch die Vergrösserung der Bohrung auf 82,5 mm erhöhte sich der Hubraum auf 4,9 l. Im Zusammenspiel mit der Verwendung eines Solex-Doppel-Flachstromvergasers stieg die Leistung von 80 PS auf 100 PS. Das serienmäßige Schnellganggetriebe erlaubte es, jedem der vier Vorwärtsgänge den Schnell- bzw. Spargang zuzuschalten. Äußerlich unterschied sich das hubraumstärkere Modell nicht vom Typ Nürburg 460. Die Karosserieauswahl war bei beiden Varianten gleich, abgesehen davon, dass die 6/7-sitzigen F-Cabriolets beim Nürburg 500 zunächst nicht lieferbar waren. Dies änderte sich im September 1932, als diese Ausführung, allerdings mit hauseigener Karosserie, die Modellpalette ergänzte. Mit einem Preis von RM 21.800,- stellte sie die teuerste Variante des Nürburg dar. Ebenfalls ab September 1932 war auch der Nürburg 460 gegen Mehrpreis von RM 1.400,- mit Schnell- und Spargang erhältlich.

Im Dezember 1933 endete die Produktion des Nürburg 460, und im Februar 1934 wurde die 5-l-Variante in Typ 500 umbenannt. Für etwas Verwirrung sorgte die Tatsache, dass nur einen Monat später der "Typ 500 mit Kompressor", heute besser bekannt als 500 K, präsentiert wurde. Zur Unterscheidung der beiden 5-l-Modelle wurden dann recht bald die Bezeichnungen 500 K und 500 N eingeführt, wobei das "N" als Abkürzung für "Nürburg" oder "Normal" (d.h. ohne Kompressor) interpretiert werden kann und nicht konsequent verwendet wurde.

Technisch bestanden zwischen dem Typ Nürburg 500 und dem Typ 500 N nur geringe Unterschiede. Prägnanter war die zurückhaltende Modernisierung der Karosserien, die jedoch als kontinuierlicher Prozeß bereits im letzten Modelljahr des Nürburg 500 begonnen hatte. Eine eindeutig erkennbare, obwohl ebenfalls nur dezente Neuerung war der leicht schräggestellte Keilkühler, der beim 500 N den Flachkühler seines Vorgängers ersetzt hatte. Ansonsten hatten nun auch die Werkskarosserien zumindest leicht geneigte Frontscheiben, was zuvor im wesentlichen dem Cabriolet "St. Moritz" und den Fremdkarosserien vorbehalten gewesen war. Im Sommer 1935 präsentierte sich das Design nochmals überarbeitet, und die Neigung nicht nur der Frontscheibe, sondern auch des Kühlers war deutlicher ausgeprägt. Mitte 1936 gab es noch einmal eine technische Änderung, als die Motorleistung durch Erhöhung der Verdichtung auf 110 PS angehoben wurde. Der Typ 500 war während des gesamten Produktionszeitraums als Pullman-Limousine und als offener Tourenwagen erhältlich. Die ursprünglich ebenfalls lieferbaren Cabriolets C, D und F entfielen der Reihe nach zu Beginn des Modelljahrs 1937, 1938 und 1939.

Als im Oktober 1939 nach 931 Fahrzeugen die letzten sieben Exemplare des Typ 500 produziert wurden, war das in mehrfacher Hinsicht eine bemerkenswerte Zäsur. Mit 11 Jahren Bauzeit war die längste Produktionszeit einer vor dem Krieg bei Daimler-Benz gebauten Pkw-Baureihe zu Ende gegangen. Der 500 N war aber auch der letzte Mercedes-Benz Pkw, der mit einer Starrachse ausgerüstet war, und der letzte Personenwagen weltweit, der noch mit Holzspeichenrädern ausgeliefert wurde. Und schließlich endete mit dem 500 N die traditionsbeladene Produktion von Personenwagen im Daimler-Benz Werk Mannheim.

Lade...