Benz 80 PS Prinz-Heinrich-Wagen, 1910

Benz 80 PS Prinz-Heinrich-Wagen, 1910

Nachdem die bei der Prinz-Heinrich-Fahrt von 1909 praktizierte Idee des Handicaps für Fabrikfahrer einige Missstimmung verursacht hatte, hatte man diesen Passus für die nächste Veranstaltung wieder aus dem Reglement gestrichen. Die dritte Prinz-Heinrich-Fahrt wurde vom 2. – 8. Juni 1910 über 1945 Kilometer auf der Strecke Berlin – Braunschweig – Kassel – Nürnberg – Straßburg – Metz – Homburg v. d. H. gefahren.

Benz & Cie. beteiligte sich wieder mit einer Abordnung von eigens konstruierten Spezial-Tourenwagen. Vier davon waren mit einem 80 PS/59 kW starken 5,7-Liter- und die anderen sechs mit einem mindestens 100 PS/74 kW leistenden 7,3-Liter-Vierzylinder ausgerüstet. Beide Varianten warteten statt dem bisher favorisierten Kettenantrieb nun mit einem Kardanantrieb der Hinterachse auf. Die Karosserien zeigten sich vom „Blitzen-Benz“ beeinflusst und wiesen sowohl einen strömungsgünstig verkleideten Wasserkasten am Kühler wie auch ein Spitzheck auf.

Der Motor beider Varianten wies eine bemerkenswerte konstruktive Besonderheit auf: Er war das erste von Benz & Cie. konstruierte Triebwerk mit vier Ventilen pro Zylinder. Mit dieser hochmodernen Auslegung waren die Mannheimer vielen Wettbewerbern, darunter der Daimler-Motoren-Gesellschaft, um Jahre voraus. Erst 1914 kam bei der DMG der erste Vierventilmotor zum Einsatz: im Mercedes Grand-Prix-Rennwagen, der bis heute zur Legende werden sollte.

Mit Ausnahme der überaus fortschrittlichen Motorenkonstruktion waren die Benz Spezial-Tourenwagen jedoch weitgehend konventionell ausgelegt. Der langhubige Vierzylinder verfügte trotz des großen Hubraums und einer Nenndrehzahl von über 2000/min über drei Kurbelwellenlager und die mechanische Bremsanlage wirkte nur auf die Hinterräder sowie die Getriebeabtriebswelle. Als Höchstgeschwindigkeit sind für die 80-PS-Wagen nach seriösen Quellen etwa 120 km/h verbrieft.

Mit den vier 80-PS-Wagen gingen Alfred Nadali, Fritz Erle, Otto Philipp und Carl Neumaier an den Start. Trotz des vom Werk getriebenen hohen Aufwands blieben die Erfolge bei der Prinz-Heinrich-Fahrt 1910 deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der von Fritz Erle gesteuerte 80-PS-Wagen kam nach der Gesamtdistanz von nahezu 2000 Kilometern hinter drei Austro-Daimler und einem Opel als bester Benz auf Position 5 ins Ziel. Die schnellste 7,3-Liter-Variante erzielte dagegen nur Platz 8.

Nach dieser letzten in gewohnter Art ausgetragenen „Prinz-Heinrich-Fahrt“ zog sich Benz & Cie. offiziell von der Veranstaltung zurück. 1911 fand die Fahrt nur noch als touristische Rundfahrt ohne sportlichen Aspekt statt. Die meisten der werkseitig eingesetzten Wagen kamen in der Folge noch bei verschiedenen Rennen und Tourenfahrten zum Einsatz und wurden anschließend an sportlich ambitionierte Privatiers verkauft.

Ein vielbeachteter Motorsporteinsatz der Benz „Prinz-Heinrich-Wagen“ war die von Ende Juni bis Mitte Juli 1910 veranstaltete Kaiser-Nikolaus-Tourenfahrt, ausgetragen über eine Distanz von 2880 Kilometer von St. Petersburg über Kiew und Moskau zurück nach St. Petersburg. Während die Stuttgarter Konkurrenz einen Dreifachsieg erzielte, belegten die von Arthur Henney, Fritz Erle und Edward Forchheimer gesteuerten Benz die Plätze 5, 6 und 10. Während die Wagen von Henney und Forchheimer wie bei der Prinz-Heinrich-Fahrt über Motoren mit Zylinderabmessungen von 105 x 165 mm und 5,7 Liter Hubraum verfügten, hatte sich Erle für einen noch ausgeprägteren Langhuber mit 100 x 175 mm und 5,5 Liter Hubraum entschieden. Nach einem bewegten Fahrzeugleben und einer originalgetreuen Restaurierung befindet sich dieser Spezialtourenwagen heute in der Sammlung von Mercedes-Benz Classic.

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