Mercedes-Benz W 196 R mit Stromlinienkarosserie, 1955

Mercedes-Benz W 196 R mit Stromlinienkarosserie, 1955
Formel-1-Rennwagen für die Saison 1955, Ausführung mit Stromlinienkarosserie

In der Saison 1955 kam die Stromlinienvariante des W 196 R nur ein einziges Mal zum Einsatz: beim Abschlussrennen, dem Großen Preis von Italien auf dem Autodrom in Monza am 11. September 1955. Auf dem dortigen Hochgeschwindigkeitskurs mit den neu gestalteten, stark überhöhten Steilkurven konnte der Stromlinienwagen seine Vorteile besonders gut ausspielen. Den W 196 R hatte man für seine zweite Rennsaison umfassend überarbeitet, wobei die Entwicklungsschwerpunkte einerseits in einer Leistungssteigerung und andererseits in einer Gewichtsreduzierung lagen. Dabei wurde auch mit unterschiedlichen Radständen experimentiert, die allesamt im Renneinsatz erprobt wurden.

Der Stromlinienwagen wurde nicht nur mit dem regulären Radstand von 2350 mm eingesetzt, sondern auch in einer Variante mit einem verkürzten Achsabstand von 2210 mm. Drei Wagen dieser Ausführung hatte man für den Großen Preis von Italien vorbereitet und drei Wochen vor dem Rennen an Ort und Stelle getestet; dabei wurden auch verschiedene Modifikationen der Frontpartie erprobt, mit denen der Abtrieb an der Vorderachse vergrößert werden sollte. Ins Rennen gingen dann aber neben zwei klassischen Monoposti mit freistehenden Rädern nur zwei Stromlinienwagen mit regulärem Radstand, nachdem die kurze Ausführung im Training eine unbefriedigende Straßenlage gezeigt hatte. Auch eine mit Luftbremse nach dem Muster des 300 SLR ausgerüstete Variante wurde getestet, kam aber ebenfalls nicht zum Renneinsatz.

Für die Saison 1955 hatte der W 196 R in beiden Karosserieausführungen einen leistungsgesteigerten Motor erhalten. Die zentrale Maßnahme der Leistungskur war die Verwendung eines geraden Saugrohrs an Stelle der zuvor gebogenen Variante. Die Leistung konnte dadurch um nahezu 13 % auf 290 PS/213 kW bei 8500/min gesteigert werden.

Die Umstellung auf das gerade Saugrohr war auch der Grund für äußerlich erkennbare Unterschiede, in denen sich der 1955er Stromlinienwagen von der Vorjahresvariante abhob. Diese zeigten sich allerdings erst beim zweiten Hinschauen in einzelnen Details. So benötigte das gerade Saugrohr gegenüber der zuvor verwendeten gebogenen Variante nach oben hin mehr Bauraum: Dies hatte zur Folge, dass die Motorhaube des Stromlinienwagens nicht mehr symmetrisch war, sondern auf der rechten Seite eine Ausbuchtung für das Saugrohr aufwies. Die Ansaugung der Verbrennungsluft war nun vom Kühllufteinlass getrennt und erfolgte über ein Gitter an der Vorderseite der für das gerade Saugrohr erforderlichen Ausbuchtung.

Ein umrahmtes Gitternetz hatte auch der große Kühllufteinlass erhalten. Es hatte die Aufgabe, das Eindringen von Laubblättern und Papierfetzen zu verhindern und konnte über einen Zughebel vom Fahrer aufgeklappt werden, wobei die angesammelten Objekte vom Luftstrom weggeblasen wurden. Weitere Detailunterschiede in der Karosserie ergaben sich vor allem im Hinblick auf die Lage und Ausführung der Kühlluftöffnungen und Auspuffrohre. Letztere traten nun beide im Schwellerbereich der rechten Seite aus der Karosserie, während die obere seitliche Öffnung nun ausschließlich der Kühlluftableitung aus dem Motorraum diente. Die Öffnungen unterhalb der Windschutzscheibe, die bislang der Kühlluftzufuhr zu den innenliegenden Hinterradbremsen diente, waren entfallen: ihre Aufgabe wurde von schließbaren Klappen links und rechts des Windschutzscheibensockels übernommen.

Mit den genannten Änderungen absolvierte der Stromlinienwagen sein einziges Rennen der Saison 1955 mit Bravour: Zwar kam beim Großen Preis von Italien in Monza nur einer der beiden Wagen ans Ziel, aber nach dem Ausfall von Stirling Moss rettete Fangio die Ehre des Teams mit einem Sieg. Den zweiten Platz belegte der Italiener Piero Taruffi, den Rennleiter Alfred Neubauer bereits für den Grand Prix von Großbritannien engagiert hatte. Er war auf einem klassischen Monoposto mit freistehenden Rädern an den Start gegangen. Juan Manuel Fangio, der Sieger des Großen Preises von Italien, konnte seinen im Vorjahr errungenen Titel verteidigen und gewann 1955 auch die Weltmeisterschaft. Vizeweltmeister wurde sein Teamkollege Stirling Moss.

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