Mercedes-Benz 8-Zylinder-Rekordwagen W 25, 1934

Mercedes-Benz 8-Zylinder-Rekordwagen W 25, 1934

Nach dem letzten Renneinsatz des neu entwickelten 750-kg-Formel-Rennwagens W 25 Ende September auf dem Masaryk-Ring nahe Brünn, bei dem Rudolf Caracciola einen zweiten Platz errungen hatte, konnte man in Untertürkheim eine insgesamt positive Bilanz der Rennsaison 1934 ziehen. Zwar hatte man anfangs noch mit einigen Kinderkrankheiten am W 25 zu kämpfen gehabt, aber den Kräftevergleich mit dem seit Ende Mai auf der Bildfläche erschienenen einheimischen Konkurrenten, der Auto Union aus Zwickau mit ihrem von Ferdinand Porsche konzipierten V16-Mittelmotor-Rennwagen, hatte man klar für sich entscheiden können.

Eine andere Situation ergab sich beim Thema Rekordfahrten, das in Deutschland nach dem spektakulären Geschwindigkeits-Weltrekord für Landfahrzeuge, den im April 1911 der sogenannte „Blitzen-Benz“ im amerikanischen Daytona Beach aufgestellt hatte, über zwei Jahrzehnte lang aus den Schlagzeilen verschwunden war. Hier hatte der Auto Union-Werksfahrer Hans Stuck im März 1934 mit einem der bei Rennen noch unerprobten und nicht einmal speziell vorbereiteten Mittelmotorwagen auf der Berliner AVUS überraschend mehrere internationale Rekorde aufgestellt.

Nicht zu Unrecht verstand man dieses geschickte, noch vor Saisonbeginn lancierte PR-Manöver in Untertürkheim als klare Kampfansage. Am Ende dauerte es über ein halbes Jahr, bis Daimler-Benz den Fehdehandschuh aufnahm und zwei der inzwischen ausgereiften W 25 in leicht modifizierter Form auf Rekordjagd gehen ließ. Ort des Geschehens war ein neu gebautes, schnurgerades Betonstraßenstück nahe Gyón, einem kleinen Ort südlich der ungarischen Hauptstadt Budapest. Hier nahm am 28. Oktober 1934 Rudolf Caracciola die Herausforderung an, neue Geschwindigkeits-Bestmarken mit stehendem und fliegendem Start zu setzen.

Die beiden Wagen waren mit dem Reihenachtzylinder-Triebwerk der Evolutionsstufe M 25 B ausgerüstet, der, mit einem Roots-Gebläse und zwei hermetisch abgedichteten Vergasern ausgerüstet, mit knapp vier Liter Hubraum eine Spitzenleistung von 430 PS/316 kW bereitstellte – 135 PS/99 kW mehr als der großvolumige, mit niedrigerem Drehzahlniveau operierende V16 der Auto Union zu Jahresanfang geboten hatte.

Im Zentrum der Modifikationen standen Verbesserungen der Aerodynamik sowie Maßnahmen zur Gewichtseinsparung. Wegen des gegenüber Renneinsätzen erheblich reduzierten Kühlluftbedarfs wurde die entsprechende Öffnung an der Wagenfront im Sinne optimaler Windschlüpfigkeit wesentlich verkleinert. Zugleich verschwanden die seitlich in die Motorabdeckung eingelassenen Belüftungsschlitze. Stattdessen war beidseitig eine kleine einzelne Öffnung vorgesehen, durch die die Motorhitze entweichen konnte.

Der Clou aber war, dass für die Fahrten mit fliegendem Start, bei denen höchste Geschwindigkeiten erzielt werden mussten, einer der W 25 mit einer nach vorne aufklappbaren Cockpithaube versehen war. Der nach wie vor offene zweite Wagen, der für Fahrten mit stehendem Start gedacht war, verfügte dagegen anstelle der kleinen Rennscheibe über einen hochgezogenen vorderen Cockpitausschnitt, der die Luft besser über den Fahrer hinweg strömen ließ. Wegen fehlenden Bedarfs an Verzögerungsleistung und aus Gründen der Gewichtseinsparung verzichtete man an beiden Wagen auf Vorderradbremsen.

Die Rekordfahrten in Gyón endeten mit einem vollen Erfolg für Daimler-Benz. Caracciola erzielte mit dem geschlossenen W 25, den er leicht kokett als „Rennlimousine“ bezeichnete, gleich zwei internationale Bestleistungen mit fliegendem Start: In der Klasse C (Fahrzeuge mit Motoren von 3 bis 5 Liter Hubraum) erreichte er über einen Kilometer und eine Meile Geschwindigkeiten von 317,5 km/h bzw. 316,6 km/h. Mit stehendem Start gelang ihm über eine Meile mit einer Geschwindigkeit von 188,6 km/h sogar ein neuer Weltrekord.

Wenige Wochen später, im Dezember 1934, zeigte der geschlossene W 25 anlässlich neuer Rekordfahrten auf der AVUS einige kleinere Veränderungen. Die Motorabdeckung wies nun wieder die bei den Rennwagen üblichen Belüftungsschlitze auf, und die Cockpithaube präsentierte sich mit abgeflachter Dachlinie sowie breiterer, bessere Sicht bietender mittlerer Scheibe. Zudem waren unterhalb der beiden nach vorne gebogenen Seitenfenster schmale Belüftungsschlitze eingelassen, die die Druckverhältnisse im engen, schmal geschnittenen Cockpit verbesserten. Um Luftverwirbelungen bestmöglich zu reduzieren, waren als ergänzendes Detail die Drahtspeichen der Hinterräder jeweils mit einer Scheibe abgedeckt.

In dieser Form stellte die „Rennlimousine“ unter Caracciola in der Klasse C einen weiteren internationalen Rekord auf: Über 5 Kilometer mit fliegendem Start wurde mit 311,98 km/h eine neue Bestmarke gesetzt.

Wie sich in den nächsten Jahren zeigen sollte, waren dies jedoch nur Vorgeplänkel für einen verbissenen, von den nationalsozialistischen Machthabern mit Wonne angeheizten Zweikampf um immer neue Rekorde, dessen Ausgang bis in die Gegenwart nachhallt.

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