Panhard & Levassor, 1894 - 1896

Panhard & Levassor, 1894 - 1896

Ab 1890 vermarktete die in Paris ansässige Firma Panhard & Levassor die Benzinmotoren, die sie nach den Konstruktionsplänen von Gottlieb Daimler in Lizenz baute, nicht nur als universelle Antriebsquelle, die als Ersatz für langsamlaufende stationäre Gasmotoren fungieren konnte, sondern wurde mit dem Einbau in selbst entwickelte Fahrgestelle auch zum Automobilhersteller. Ein weiterer Abnehmer der in Paris produzierten Daimler-Lizenzmotoren war die Firma Peugeot, die ebenfalls die Herstellung von Benzin-Automobilen aufnahm. Mit ihren von Daimler-Lizenzmotoren angetriebenen Fahrzeugen begannen Panhard & Levassor und Peugeot ab 1891 den Automobilmarkt in Frankreich zu entwickeln. Französische Kunden zeigten an dem damals neuartigen Benzin-Automobil sehr viel mehr Interesse als dies in Deutschland der Fall war.

Die in Frankreich von breiten Schichten getragene Begeisterung für den aufkommenden Automobilismus mündete – ähnlich wie einige Jahre zuvor beim Fahrrad – geradezu zwangsläufig in die Veranstaltung sportlicher Wettbewerbe. Als eine erste Art von Rennen galt die am 22. Juli 1894 über 126 Kilometer führende Fernfahrt Paris – Rouen, eigentlich eine Zuverlässigkeitsfahrt, bei der es aber ebenso darum ging, welcher Starter als Erster das Ziel in der nordfranzösischen Stadt erreicht. Die Veranstaltung war von Pierre Giffard, dem Herausgeber der in Paris erscheinenden Zeitung „Le Petit Journal“ ausgeschrieben worden.

Unter den 21 (von 102 gemeldeten) Fahrzeugen, die in Paris an den Start rollten, befanden sich 14 Wagen mit Benzinmotor, die verbleibenden sieben waren dampfbetrieben – ein Umstand, der deutlich macht, dass der „Wettkampf der Systeme“ von Benzinmotor, Dampf- und Elektroantrieb in der Frühzeit des Automobils voll entbrannt war. Dass das Benzinautomobil am Ende das Rennen machen würden, war in den 1890er-Jahren noch keinesfalls abzusehen. Einer der Dampfwagen, ein 20 PS/15 kW starker De-Dion-Bouton, erreichte das Ziel in Rouen tatsächlich als erster. Das siegreiche Vehikel wurde aber disqualifiziert, weil seine Ausführung als Dampfschlepper mit Personenfuhrwerk nicht der Ausschreibung entsprach, die ausschließlich viersitzige Wagen zuließ.

Panhard & Levassor brachte vier Fahrzeuge an den Start: neben drei viersitzigen Wagen auch einen Zweisitzer, der von Émile Levassor selbst gesteuert wurde. Einen weiteren Motorwagen von Panhard & Levassor hatte dessen Besitzer Alfred Vacheron modiziert: Als erstes Automobil überhaupt hatte Vacherons Fahrzeug eine geneigte Lenksäule und ein Lenkrad erhalten. Mit Daimler-Lizenzmotoren waren auch fünf Peugeot Automobile ausgerüstet, die in Paris ebenfalls in Rennen gingen.

Alle zehn Fahrzeuge mit Daimler-Motoren erreichten das Ziel in Rouen, und so wurde der erste Preis in Höhe von 5.000 Francs zwischen beiden Herstellern aufgeteilt. Natürlich handelte es sich bei keinem dieser und aller anderen ins Ziel gekommenen Fahrzeuge nach heutigem Verständnis um für den speziellen Zweck gebaute „Rennwagen“; dennoch haben die bei der ersten automobilsportlichen Veranstaltung siegreichen Automobile von Peugeot und Panhard & Levassor mit Recht einen festen Platz in der Ahnenreihe der Wettbewerbsfahrzeuge.

Für den Antrieb sorgte ein Zweizylinder-V-Motor von Panhard & Levassor, „Systeme Daimler“, der knapp einen Liter Hubraum aufwies. Bei 620/min leistete das Aggregat 3,5 PS/2,6 kW, Zylinder und Zylinderköpfe bestanden aus Grauguss. Eine Ventilsteuerung war zu jener Zeit nur rudimentär vorhanden: Während die Einlassventile ungesteuert blieben, wurde die Arbeit der seitlich stehenden Auslassventile mittels Fliehkraftregler reguliert. Die Schmierung des Motors übernahm ein Tropföler, eine Wasserkühlung hatte lediglich der Zylinderkopf.

Bei der Fahrt Paris – Rouen stellte der Zweizylinder Qualitäten unter Beweis, die bis heute entscheidend sind: Stehvermögen und Verlässlichkeit – und so lautete es auch in der Ausschreibung: „Gewinnen wird der Wagen, der am besten die Kriterien erfüllt, „ohne Gefahr zu benutzen, leicht zu bedienen und nicht zu teuer im Betrieb“ zu sein (« être sans danger, aisément maniable pour les voyageurs et de ne pas coûter trop cher sur la route »).“

Das nächste Rennen wurde nicht von einer Zeitung, sondern von dem zu diesem Zweck gegründeten Rennkommittee veranstaltet, aus dem dann der Automobile Club de France entstand. Die Aufgabe, der sich die Teilnehmer vom 11. bis 14. Juni 1895 stellen mussten, war ungleich ambitionierter als elf Monate zuvor. Zurückzulegen war die Strecke von Paris nach Bordeaux und zurück, insgesamt 1192 Kilometer, wobei die Fahrt von Paris nach Versailles als nicht gewerteter Korso stattfand. Entscheidend war am Ende die Geschwindigkeit bzw. die Zeit der Ankunft in Paris.

Von den 46 gemeldeten Fahrzeugen gingen 23 an den Start, darunter 6 mit Dampf- und 1 mit Elektroantrieb. Panhard & Levassor nahm mit vier Wagen teil. Im Vergleich zum Vorjahr hatte der Pariser Hersteller zwei Trumpfkarten im Ärmel: Diesmal waren nicht alle seiner Fahrzeuge mit dem Zweizylinder-V-Motor ausgerüstet, der auch Peugeot zur Verfügung stand. Neben den beiden viersitzigen Wagen, die schon Paris – Rouen gefahren waren, stattete Levassor einen Zweisitzer, dessen Steuer er selbst übernahm, mit dem neuen, leichten und leistungsstarken Daimler-Phoenix-Motor aus. Für einen schweren Fünfsitzer, der 1800 kg auf die Waage brachte, steuerte Gottlieb Daimler einen 8 PS/6 kW starken, ursprünglich als Bootsmotor konstruierten Vierzylinder bei. Dabei dürfte es sich um den ersten Einsatz eines Vierzylinder-Benzinmotors im Automobil gehandelt haben.

Innerhalb des im Reglement definierten Limits von 100 Stunden erreichten 9 Teilnehmer das Ziel – 1 Dampfwagen und 8 Benzin-Automobile, darunter die beiden Roger-Benz und 6 Fahrzeuge mit Daimler-bzw. Daimler-Lizenzbau-Motor. Der Erste war nach 48 Stunden und 48 Minuten Emile Levassor. Da sein Fahrzeug als Zweisitzer aber nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprach, erhielt er trotz sechsstündigem Vorsprung vor dem – ebenfalls zweisitzigen – Peugeot von Paul Koechlin nur den zweiten Preis in Höhe von 12.000 Francs. Der erste Preis von 30.000 Francs wurde dem ebenfalls mit einem Lizenzmotor „Système Daimler“ ausgerüsteten viersitzigen Peugeot von Louis Rigoulot zuerkannt, der mehr als elf Stunden nach Levassor durchs Ziel gefahren war. Der Dampf-Omnibus von Amédée Bollée erreichte nach einer Fahrzeit von gut 90 Stunden als letztes der neun Fahrzeuge das Ziel – 41 Stunden nach der Ankunft von Émile Levassor. Nochmals gut dreizehneinhalb Stunden später – und damit fast vier Stunden über der reglementbedingten 100-Stunden-Grenze – kam der luftbereifte Wagen der Gebrüder Michelin in Paris an.

In den Folgejahren errangen Fahrzeuge mit Daimler-Lizenzmotor zahlreiche weitere Siege. Ab 1896 setzte Panhard & Levassor sogar Fahrzeuge mit einem Vierzylindermotor ein, der eine Weiterentwicklung der lizenzierten Daimler-Motoren darstellte.

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